Ungeahndete Möglichkeit zur Umgehung von Patentrechten?
Hier wird die Ware bereits mit ihrer zollrechtlichen Anmeldung zu Gemeinschaftsware. „Mit ihrer Einfuhr geht sie vollständig in die freie Verfügungsgewalt des Einführenden über und wird, die Vorteile des Europäischen Binnenmarktes ausnutzend, ohne jegliche Kontrollen seitens der Zollbehörden weitertransportiert – oder eben nicht“, erläutert Diana Baer, Rechtsanwältin im Düsseldorfer Büro von Clifford Chance.
Dennoch hat das Hanseatische Oberlandesgericht zuletzt eine Patentverletzung in Deutschland in der Konstellation eines (zumindest behaupteten) Weitertransports von Ware ins patentfreie EU-Ausland abgelehnt, da das – im Übrigen in Deutschland voll vermarktungsfähige – Produkt nicht eindeutig für den deutschen Markt bestimmt sei. „Die mit diesem Wertungswiderspruch verbundene politische Dimension erfordert ein Umdenken“, so Baer. „Weder ist es Rechteinhabern zumutbar, noch ist es erforderlich, in diesen Fällen einen zusätzlichen Schritt zu fordern, etwa dergestalt, dass die Ware auch tatsächlich zum Kauf angeboten wird.“ Tatsächlich können diese Fälle ohne weiteres unter den Tatbestand der „Einfuhr zum Zwecke des Inverkehrbringens“ iSd § 9 S. 2 Nr. 1 PatG subsumiert werden. Schon die Zollanmeldung zur Überführung in den freien Warenverkehr erfüllt diesen Gefährdungstatbestand. Eine unionsrechtskonforme Auslegung des Begriffs „Inverkehrbringen“ iSd Durchsetzungsrichtlinie (Richtlinie (EG) Nr. 2004/48) ist auch angesichts divergierender Auffassungen in den Mitgliedsstaaten dringend geboten. „So wird die bloße Durchfuhr z. B. von spanischen Gerichten angesichts der ohne weiteres gegebenen Möglichkeit eines Inverkehrbringens als Schutzrechtsverletzung angesehen, obwohl der Transit dort gesetzlich ebenfalls nicht ausdrücklich als Verletzungshandlung geregelt ist“, sagt IP-Expertin Baer.