Immobilien

Verschärfte Haftung bei Kartellrechtsverstößen

Seit einigen Jahren ist das Kartellrecht für institutionelle Investoren schärfer geworden, wenn deren Portfoliogesellschaften gegen kartellrechtliche Vorgaben verstoßen. Diese Entwicklung wird durch die neunte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) weiter verstärkt, die Anfang des neuen Jahres in Kraft treten soll. Moritz Lorenz, Partner im Berliner Büro der Anwaltskanzlei Arnecke Sibeth, analysiert die bevorstehende Angleichung des deutschen Rechts an das Europäische Kartellrecht im Bereich der Bußgeldhaftung und rät institutionellen Investoren zur Vorsicht beim Erwerb einer Portfoliogesellschaft.

Die Investoren wurden aufgeschreckt, als die Europäische Kommission im Jahr 2014 gegen Goldman Sachs eine Geldbuße von ca. 37 Mio. Euro verhängte, weil deren ehemalige Portfoliogesellschaft Prysmian am so genannten Energiekabel-Kartell beteiligt war. Nach den Ermittlungen der EU-Kommission begannen die Kartellabsprachen im Jahr 1999. Goldman Sachs hatte im Jahr 2005 eine Minderheitsbeteiligung an Prysmian erworben. Diese reichte nach Ansicht der Kommission aus, um eine kartellrechtliche Mitverantwortung von Goldman Sachs zu begründen. Goldman Sachs klagte damals gegen die Entscheidung, noch sind die Dinge diesbezüglich nicht entschieden. Institutionellen Investoren ist deshalb zu raten, Beteiligungen beim Erwerb auf eventuelle kartellrechtliche Verstöße in der Vergangenheit zu prüfen und entsprechende vertragliche Regelungen mit dem Verkäufer im Voraus zu vereinbaren.

Diskrepanz zum EU-Recht
Die Haftung von Muttergesellschaften für Kartellrechtsverstöße ihrer Tochterfirmen wird zurzeit auch in das deutsche Recht eingeführt. Im Rahmen der neunten GWB-Novelle soll hier eine Harmonisierung mit dem EU-Kartellrecht erreicht werden. Der Regierungsentwurf vom 28.09.2016 sieht einen neuen Paragraphen vor, wonach eine Buße auch gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen verhängt werden darf, die unmittelbar oder mittelbar einen bestimmenden Einfluss auf eine andere juristische Person oder Personenvereinigung ausgeübt haben, die gegen das Kartellrecht verstoßen hat. Bisher war die Situation anders: Das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht ermöglicht bis dato die Verhängung einer Geldbuße nur gegen die Person, die selbst gegen das Kartellrecht verstoßen hat. Im Falle eines Kartellrechtsverstoßes durch eine Konzerngesellschaft konnte beispielsweise die Muttergesellschaft nicht in die Haftung genommen werden. Dies führte zu einer Diskrepanz zum EU-Kartellrecht, das mit seinem Unternehmensbegriff stets ganze Unternehmensgruppen umfasst.

Ausdehnung der Bußgeldhaftung
Das Personalitätsprinzip des Ordnungswidrigkeitenrechts durchbrechend, dehnt der Gesetzgeber die Bußgeldhaftung nun auf Muttergesellschaften aus. Dabei wird nicht unterschieden, ob es sich bei der Obergesellschaft um einen strategischen oder einen institutionellen Investor handelt. Auch nach deutschem Recht könnte sich deshalb nach Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle, erwartet für Anfang 2017, eine Konstellation wie im erwähnten Fall von Goldman Sachs und Prysmian ergeben.

Zudem nimmt die Monopolkommission in ihrem letzten Hauptgutachten institutionelle Investoren in den Fokus. Sie sieht eine Gefahr für den Wettbewerb, weil es sein könne, dass das Interesse diversifizierter Investoren an der Gesamtmarktrendite in vielen Wirtschaftsbereichen ihr Interesse an der individuellen Performance der Portfolio-Unternehmen übersteige. Dies betrifft Konstellationen, in denen ein institutioneller Investor Beteiligungen an mehreren Unternehmen derselben Branche hält. Dies ist in einer zunehmenden Anzahl von Branchen so. Eine Handvoll institutioneller Investoren taucht in den Aufstellungen der größten Aktionäre aller wesentlichen Unternehmen dieser Branchen auf. Die einzelnen Beteiligungen liegen dabei im einstelligen Prozentbereich. Oftmals reicht dies aus, um der größte Aktionär zu sein und damit besondere Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Unternehmensführung zu besitzen.

Neuere ökonomische Forschungsarbeiten kommen zu dem Ergebnis, dass der Wettbewerb in diesen Branchen geschwächt ist. Das amerikanische DOJ untersucht darauf aufbauend derzeit, ob es in der US-Luftfahrtindustrie zu Wettbewerbsbeschränkungen kommt. Es könne in solchen Fällen ein grundsätzliches Interesse an Parallelverhalten und weniger intensivem Wettbewerb zwischen Portfolio-Unternehmen zugunsten der Gesamtmarktrendite entstehen. Sollte sich dieser Gedanke auch hier in der kartellbehördlichen Praxis niederschlagen, würde dies die Steuerungsmöglichkeiten institutioneller Investoren gegenüber ihren Portfolio-Unternehmen drastisch reduzieren. Um die von der Monopolkommission formulierte Vermutung der Wettbewerbsschwächung zu widerlegen, müssten sie belegen können, dass die Portfolio-Unternehmen vollkommen eigenständig agieren.

Fazit
Es ist also damit zu rechnen, dass die Kartellbehörden hier in den nächsten Jahren deutlich aktiver werden. Dabei wird zu bestimmen sein, ab welcher Beteiligungsschwelle eine juristische Person – der institutionelle Investor – einen „bestimmenden Einfluss“ auf eine andere juristische Person – die Portfoliogesellschaft – ausüben kann. Institutionelle Investoren werden ihre Beteiligungen so strukturieren müssen, dass sie die Schwelle zum „bestimmenden Einfluss“ nicht überschreiten.

Abonnieren Anmelden
Zur PLATOW Börse