Drei Fragen an ...

Was kommt mit CRD VI auf die Finanzinstitute zu, Herr Glos?

Die scheinbar unendliche Geschichte der Basel 3-Umsetzung kommt demnächst tatsächlich zum Abschluss: Im kommenden Frühjahr will die EU ihr Bankenpaket finalisieren. Manche Institute, die in Deutschland bisher mit Zweigniederlassungen vertreten sind, müssen sich dann an neue Spielregeln gewöhnen, auch an anderen Stellen ändert sich Grundlegendes. Wir haben Alexander Glos von Freshfields Bruckhaus Deringer gefragt, womit die Branche zu rechnen hat.

Alexander Glos
Alexander Glos © Freshfields Bruckhaus Deringer

Herr Glos, auf seinem Weg durch die EU-Institutionen hat sich das CRD VI-Regelwerk im Lauf der vergangenen Monate noch etwas verändert. Welche zentralen Punkte wurden nachgeschärft oder gelockert, welche nicht?

Im Dezember 2023 wurde das Trilogverfahren für CRD VI und CRR III abgeschlossen, so dass voraussichtlich im April 2024 das finale Paket verabschiedet wird. Das Paket enthält nicht nur die finale Umsetzung der Baseler Eigenkapitalregeln, sondern auch zahlreiche weitere Änderungen in unterschiedlichen Bereichen des Bankaufsichtsrechts.

Einige zentrale Punkte wurden noch bis zuletzt kontrovers diskutiert. Dazu gehörten etwa die Behandlung von ESG-Themen bei den Eigenkapitalvorgaben sowie Marktzugangsbeschränkungen für Banken aus Drittstaaten. Aber auch im Kernbereich der Umsetzung der Vorgaben von Basel 3 (bzw. Basel 3,5) gab es noch sehr strittige Punkte, insbesondere zur Anwendungsebene für den sogenannten Output Floor, d.h. der Eigenmitteluntergrenze bei Nutzung interner Modelle. Im Ergebnis hat man sich darauf geeinigt, dass der Output Floor grundsätzlich sowohl auf Gruppenebene als auch auf der Ebene jeder Tochterbank (Einzelebene) gelten soll. Allerdings ist eine Option für die Mitgliedstaaten vorgesehen, von der Anwendung auf Einzelebene abzusehen.

Recht spät im Gesetzgebungsprozess wurden auf Wunsch des Parlaments Regelungen zur prudenziellen Behandlung von Kryptowerten in das Regelwerk eingeführt. Hierzu gehören zunächst Offenlegungsvorschriften im Hinblick auf Risiken, denen die Banken in Bezug auf Kryptowerte und damit verbundene Aktivitäten ausgesetzt sind. Im Hinblick auf die Eigenkapitalbehandlung verweist der EU-Gesetzgeber auf die Ende 2022 vom Basler Ausschuss veröffentlichte Konsultation zu einem BCBS-Standard. Zur Umsetzung dieses BCBS-Standards soll die Kommission bis Juni 2025 Vorschläge vorlegen. Bis dahin ist eine Übergangsregelung vorgesehen, die nach verschiedenen Kategorien von Kryptowerten unterscheidet, die dann je nach Einstufung das Risikogewicht der zugrundeliegenden Vermögenswerte erhalten (bei reiner Tokenisierung traditioneller Vermögenswerte) oder ein Risikogewicht von 250% bzw. 1.250%.

Welche Rolle spielen ESG-Risiken künftig bei den Eigenkapitalvorgaben?

Bei der Fortentwicklung des aufsichtlichen Rahmenwerks für ESG-Risiken im Rahmen von CRD VI / CRR III stand die Frage im Raum, ob es eine unmittelbare Incentivierung für klimafreundliche bzw. gegen klimaschädliche Finanzierungen bei den Eigenkapitalregeln geben sollte. Im Ergebnis hat sich der Gesetzgeber dagegen entschieden, sogenannte „green supporting factors“ bzw. „brown penalising factors“ bei der Risikogewichtung von Krediten einzuführen. Lediglich im Bereich von Infrastrukturfinanzierungen ist vorgesehen, dass die Klimaschädlichkeit zum Verlust der privilegierten Eigenkapitalbehandlung führen soll. Darüber hinaus ist an verschiedenen Stellen vorgesehen, dass ESG-Risiken Einfluss auf die Bewertung von Sicherheiten haben können, die relevant sind für die Eigenkapitalunterlegung.

Im Übrigen führen CRD VI/CRR III die bisherige Linie der Aufsichtsbehörden fort, dass ESG-Risiken beim Risikomanagement zu berücksichtigen sind. Dabei wird nunmehr verlangt, dass die Institute spezifische Pläne und quantifizierbare Ziele im Hinblick auf die kurz-, mittel- und langfristigen finanziellen ESG-Risiken entwickeln sollen, die dann im Rahmen des SREP geprüft werden.

Was ergibt sich aus den CRD VI-Regeln für Banken aus Nicht-EU-Ländern, etwa der Schweiz oder Großbritannien?

Der Zugang von Banken außerhalb der EU zum europäischen Markt ist – mit Ausnahme gewisser Regelungen im Bereich der Wertpapierdienstleistungen unter MiFID – bisher nicht europäisch einheitlich geregelt. Vielmehr unterliegen sowohl grenzüberschreitende Dienstleistungen als auch die Behandlung von Zweigniederlassungen von Drittstaatenbanken im Wesentlichen den jeweiligen – teilweise sehr unterschiedlichen – nationalen Rechtsvorschriften.

In Deutschland beispielsweise bedürfen Drittstaatenbanken für das aktive Angebot von Bankgeschäften einer Lizenz. Zweigniederlassungen von Drittstaatenbanken unterliegen dabei grundsätzlich den vollen Anforderungen des Kreditwesengesetzes. Allerdings besteht in Deutschland für Drittstaatenbanken die Möglichkeit, eine Freistellung zu beantragen, die unter anderem voraussetzt, dass sie in ihrem Heimatland einer gleichwertigen Aufsicht unterliegen. Auf der Basis einer solchen Freistellung können Drittstaatenbanken auch ohne Zweigniederlassung in Deutschland aktiv Bankgeschäfte betreiben. Dies wurde in der Vergangenheit insbesondere von Schweizer Banken intensiv genutzt, aber auch von Instituten aus anderen Drittstaaten wie etwa den USA. Allerdings war die BaFin seit dem Brexit bereits extrem zurückhaltend bei der Erteilung neuer Freistellungen.

CRD VI sieht nunmehr vor, dass grundsätzlich jede Drittstaatenbank, die in einem Mitgliedstaat Einlagen-, Kredit- oder Garantiegeschäft betreiben will, dort eine Zweigniederlassung errichten muss. Ausgenommen sind Interbankengeschäfte sowie das Betreiben von Bankgeschäften auf der Basis der passiven Dienstleistungsfreiheit (sog. reverse solicitation). Dies lässt nach vorläufiger Analyse wohl keinen Raum mehr für die Erteilung von Freistellungen durch die BaFin.

Hingegen dürften die in CRD VI statuierten Mindeststandards für Zweigniederlassungen in Deutschland weniger Anpassungsbedarf auslösen, da Zweigniederlassungen von Drittstaatenbanken, wie erwähnt, auch jetzt bereits dem KWG in vollem Umfang unterliegen. Problematischer könnte für manche existierende Zweigniederlassung sein, dass CRD VI unter bestimmten Bedingungen die Umwandlung in eine eigenständige Tochterbank fordert, insbesondere bei Überschreiten einer Bilanzsumme von 10 Mrd. EUR.

Alexander Glos ist Partner und Co-Head Financial Institutions Group im Frankfurter Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer. Zu seinen Spezialgebieten gehören das Bankaufsichts- und Investmentrecht sowie die Kapitalmarktregulierung. In diesem Zusammenhang begleitet er M&A-Transaktionen und Portfoliotransaktionen mit Finanzinstituten ebenso wie Bankenrestrukturierungen und andere Finanzmarktstabilisierungsmaßnahmen.

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