Versicherungen

Alte Lebensversicherungen können widerrufen werden

Wer vor 2008 eine Lebensversicherung abgeschlossen hat und dabei nicht über sein Widerrufsrecht aufgeklärt worden ist, kann den Vertrag auch heute noch widerrufen. Dies hat der Bundesgerichtshof (Az. IV ZR 76/11) entschieden und damit ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (C-209/12) aus dem Jahr 2013 umgesetzt.

„Streitig war, ob ein Widerspruchsrecht bis höchstens ein Jahr nach Vertragsabschluss besteht, wie im Versicherungsvertragsgesetz alter Fassung vorgesehen, oder ob es bei fehlender Widerrufsbelehrung zeitlich unbegrenzt gilt“, erläutert Matthias Heisse von Heisse Kursawe Eversheds. Der EuGH erklärte diese Bestimmung für europarechtswidrig und somit für nicht anwendbar, wenn der Versicherte nicht über das Recht zum Rücktritt oder Widerspruch belehrt worden ist. „Der BGH hatte nun zu entscheiden, welche Folgen dies für den konkreten Streitfall und vergleichbare Verfahren hat“, so Heisse. In dem Fall zahlte ein Versicherungsnehmer von 1998 bis 2002 Beiträge in eine Rentenversicherung. Im Juni 2007 kündigte er den Vertrag. Die beklagte Versicherungsgesellschaft zahlte ihm darauf den Rückkaufswert der Versicherung aus. Im März 2008 erklärte der Versicherte den Widerspruch und forderte sämtliche Beiträge nebst Zinsen zurück.

Nach Ansicht des BGH wurde die 14-tägige Widerspruchsfrist des § 5a Absatz I Satz 1 VVG a.F. nicht in Gang gesetzt, weil der Kläger mit dem Versicherungsschein nicht formgerecht über sein Widerspruchsrecht belehrt wurde. Damit hat er grundsätzlich Anspruch auf Erstattung der gezahlten Prämien. Die Frage, ob das „Policenmodell“ als solches europarechtswidrig ist, konnte der Senat unbeantwortet lassen. Offen blieb auch die Höhe des konkreten Anspruchs: Dieser umfasse nicht uneingeschränkt alle eingezahlten Prämien. Die Karlsruher Richter verweisen vielmehr darauf, dass der Versicherte während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen habe, der als Vermögensvorteil in seinem Wert zu ersetzen sein könne. Für den Ausgleich und die Risikoverteilung verweisen die Richter an das Berufungsgericht zurück. „Dieses Urteil könnte eine Welle von Verfahren gegen Versicherungen auslösen“, erklärt Heisse. „Die Gesellschaften sollten daher umgehend ihre Widerspruchsbelehrungen überprüfen lassen, denn sie tragen die Beweislast dafür, dass der Versicherungsnehmer belehrt wurde. Einige Gesellschaften werden in Erwartung des Urteils aber bereits Rückstellungen gebildet haben.“

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