Versicherungen

Eine feste Größe – Die Europäische Gesellschaft (SE)

Seit gut sieben Jahren können Unternehmen eine Europäische Gesellschaft (Societas Europaea, SE) gründen. Zuvor wurde in Europa mehr als 30 Jahre um diese Rechtsform gerungen. Anfangs von der Praxis eher skeptisch betrachtet, brach die Allianz das Eis. Weitere namhafte Unternehmen folgten: Porsche, BASF, Fresenius, Deichmann, Puma – die Liste wird stetig länger. Thorsten Reinhard von Noerr erläutert, für wen sich eine SE lohnt.

Im letzten Dezember wurde die tausendste SE gegründet, inzwischen haben rund 200 SE ihren Sitz in Deutschland. Die Zahl der Unternehmen, die sich mit den Vor- und Nachteilen der SE beschäftigen, ist naturgemäß viel höher. Derzeit ist das Thema wieder en vogue, fast wöchentlich melden Gesellschaften Beratungsbedarf. Der Impuls kommt dabei nicht nur von börsennotierten Konzernen, sondern zunehmend auch von mittelständischen Unternehmen. Allerdings erweist sich die SE im Durchschnitt nur für eine von fünf Gesellschaften als ideal. Sie ist kein „Passepartout“, keine Gesellschaftsform für alle Fälle. Dennoch sollte sie in Erwägung ziehen, wer die Struktur seines Unternehmens strategisch plant oder prüft.

Die SE – ein Steckbrief

Was genau ist eine SE? In den meisten rechtlichen, steuerlichen und bilanziellen Fragen unterscheidet sich eine SE mit Sitz in Deutschland nicht von einer AG. Insofern verhält sich die SE zur AG wie Cola zu Wasser – zu 99 % identisch, aber das restliche Prozent macht einen großen Unterschied aus. Im Unterschied zu Cola ist das Rezept der SE aber nicht geheim. In einer Umfrage der Universität München sind Unternehmen befragt worden, die sich für die SE entschieden haben. Ihnen zufolge sind die wichtigsten Eigenschaften der SE

  • ihr modernes Image und ihre internationale Mobilität;
  • ihre Corporate Governance, die es erlaubt, das Unternehmen entweder durch das vertraute Doppelgespann aus Vorstand und Aufsichtsrat (dualistische SE) oder durch einen Verwaltungsrat nach angloamerikanischem Vorbild zu führen (monistische SE);
  • die Möglichkeit, die Arbeitnehmermitbestimmung zu gestalten, also Optionen zu eröffnen, wo andere Rechtsformen zwingendem Recht unterworfen sind. Denn in der SE kann die Arbeitnehmerbeteiligung in Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretern auf die Anforderungen des Unternehmens zugeschneidert werden.

 

Die monistische SE erlaubt eine Bündelung von Kompetenzen, die in einer AG nicht umsetzbar wäre: So kann z. B. der Mehrheitsaktionär den Vorsitz des Verwaltungsrats übernehmen und dabei zugleich zur Zeichnung für die SE berechtigt sein („President & CEO“). Er repräsentiert dann die SE nach außen, führt den Verwaltungsrat als Leitungs- und Überwachungsorgan und leitet die Hauptversammlung, die er zudem mit seinen Stimmrechten dominiert. In einer solchen Struktur fehlen allerdings einige checks & balances, die für ein Unternehmen wertvoll sein können.

Zudem konserviert die SE den Mitbestimmungsstatus, den sie zum Zeitpunkt der Gründung hatte: Eine mitbestimmungsfrei gegründete SE wächst i. d. R. auch dann nicht in die Mitbestimmung, wenn sie die Schwellenwerte von 500 bzw. 2 000 inländischen Mitarbeitern gemäß Drittelbeteiligungsgesetz bzw. Mitbestimmungsgesetz überschreitet. Eine AG oder GmbH müsste unter den gleichen Bedingungen ihren Aufsichtsrat für Arbeitnehmervertreter öffnen.

Aufwendige Gründung

Die erfolgreiche Gründung einer SE krönt ein aufwendiges und zeitforderndes Verfahren. Die konkreten Schritte sind je nach Gründungsform unterschiedlich. Bei der Umwandlung einer AG ist z. B. ein Umwandlungsplan zu veröffentlichen, ein Bericht an Aktionäre und Arbeitnehmer zu richten und das Gutachten eines Wirtschaftsprüfers einzuholen, bevor die Hauptversammlung die Umwandlung beschließen kann. Bei allen Gründungsvarianten sind Verhandlungen mit dem sog. Besonderen Verhandlungsgremium (BVG) zu führen, das die Arbeitnehmer des Unternehmens und seiner Tochtergesellschaften in Deutschland und im Europäischen Wirtschaftsraum vertritt. Das Verfahren kann einiges an Zeit (und Geld) kosten. Im schlechtesten Fall können die Bildung des BVG und die eigentlichen Verhandlungen zusammen neun Monate in Anspruch nehmen. Einigt man sich bis dahin nicht, greift eine gesetzliche Auffangregelung.

Ein simples Erfolgsrezept

Wer die Gründung einer SE in Angriff nimmt, kann sich ein Scheitern nicht leisten. Drei einfache Regeln:

  1. Gründlich planen. Gleich zu Beginn alle notwendigen Schritte zu bedenken, wichtige Unterlagen bereitzuhalten sowie „Sollbruchstellen“ zu antizipieren und zu vermeiden, ist mehr als die halbe Miete.
  2. Rechtzeitig beginnen. Wer bei den Verhandlungen mit dem BVG unter Zeitdruck gerät, sieht sich vielleicht zu Konzes-sionen gedrängt, die sachlich nicht geboten sind. Gibt es ein festes Zieldatum für die SE-Gründung, sollten die Planungen zwölf bis vierzehn Monate vorher beginnen.
  3. Konzept und Entwürfe mit dem Registerrichter abstimmen. Auf dessen Entscheidung, die SE im Handelsregister einzutragen, läuft alles zu. Die gesetzlichen Regelungen enthalten Lücken, die man im Gespräch mit dem Richter schließen sollte.

Abonnieren Anmelden
Zur PLATOW Börse