Versicherungen

Munich Re – Nur der CEO klagt

Immer wieder gerne hat sich Joachim Wennings Vorgänger an der Spitze der Munich Re, AR-Chef Nikolaus von Bomhard, als einer von nur wenigen Konzernlenkern in Deutschland zu politischen Versäumnissen geäußert.

Mit Desertec ging der weltgrößte Rückversicherer 2009 unter von Bomhard sogar einen Schritt über das reine Lamentieren hinaus und initiierte ein leider gescheitertes Projekt zur Gewinnung von Solarstrom aus der Wüste. Wenning, seit sechs Jahren an der Konzernspitze und operativ von Jahr zu Jahr erfolgreicher, nimmt jetzt den Faden auf. Auf der Halbjahres-PK stimmt er in das aktuelle Klagen über den Standort Deutschland ein. Dank Bildung, Hightech, Arbeitsmoral, Sicherheit sei Deutschland früher trotz hoher Steuern attraktiv gewesen. Heute dagegen: verspätete Züge, uferlose Bürokratie, Schul- und Kitakrise. Es drohten, Investitionen und damit Wohlfahrt ins Ausland abzuwandern.

GDV, Insurance Europe oder das Pan-european Insurance Forum mit den CEOs der zehn wichtigsten Versicherer des Kontinents fänden, so Wenning auf unsere Frage, bei den Gesetzgebern in Berlin und Brüssel zu wenig Gehör. Lösungen hat er zwar nicht im Gepäck. Ein Anfang wäre indes schon mal ein Überarbeiten des überbordenden Berichtswesens, wo schon in Europa eine Einigung auf gemeinsame Standards etwa bei ESG schwierig sei, von IFRS und HGB ganz zu schweigen. Viele Anliegen, wie die von Wenning befürwortete globale Mindestbesteuerung, seien im Kern zwar richtig, in der Ausgestaltung aber übertrieben.

Der angeblich gefährdeten Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zum Totz verdient Munich Re aktuell blendend. Die Preise in der Schaden/Unfall-Rückversicherung kletterten bei der Erneuerung im Juli risikobereinigt um 5,1%. Das günstige Preisumfeld wird nach Wennings Meinung sogar bis 2025 anhalten, u. a. wegen mehr Cybergefahren und immer kostspieligerer Klima- und US-Haftpflichtschäden. Die Schaden-Kosten-Quote der wichtigsten Sparte glänzte per 30.6. trotz Anstieg von 74,5 auf 83,5%.

Unter dem Strich lag der Konzerngewinn bei 2,4 (Vj. 3) Mrd. Euro. Neben Großschäden waren angesichts der guten operativen Entwicklung bewusst realisierte Verluste aus dem Verkauf von Bonds Grund für den Rückgang. Lt. CFO Christoph Jurecka schlummern im Bond-Portfolio immer noch milliardenschwere stille Lasten. Dies und die bevorstehende Hurrikan-Saison in den USA halten ihn davon ab, das Jahresziel von 4 Mrd. Euro Gewinn jetzt schon hochzusetzen. Im Q3 könnte es aber soweit sein. Sollte am Jahresende die Kapitalaustattung weiter so hoch sein wie im H1 (273% Solvenzquote), könnte auf die vom Kursplus verwöhnten Aktionäre bei Dividende und Aktienrückkauf eine positive Überraschung warten. mr

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