Organhaftungsstreitigkeiten vertraulich klären
„
Die Vorgänge, aus denen sich Organhaftungsansprüche ergeben, sind häufig geeignet, das Ansehen des Unternehmens und des Organmitglieds zu beschädigen. In besonderem Maße gilt dies beispielsweise, wenn es im Unternehmen zu Gesetzesverstößen gekommen ist, die das Organmitglied pflichtwidrig nicht verhindert hat. Falls das Unternehmen solche Vorgänge zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens macht, besteht das Risiko einer anhaltenden öffentlichen Berichterstattung. Dies kann der Reputation bei Kunden, Lieferanten, sonstigen Marktteilnehmern sowie in der Öffentlichkeit erheblich schaden. Vor diesem Hintergrund suchen Unternehmen und Organmitglieder nicht selten nach Wegen, Organhaftungsstreitigkeiten vertraulich beizulegen.
Möglichkeit des Schiedsverfahrens
Eine Möglichkeit besteht darin, Organhaftungsstreitigkeiten nicht vor einem staatlichen Gericht, sondern vor einem Schiedsgericht auszutragen. Dies erfordert grundsätzlich, dass das Unternehmen und das Organmitglied sich auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens einigen. In Rechtsprechung und Schrifttum ist weitgehend geklärt, in welcher Form eine solche Einigung erfolgen kann und welche rechtlichen Grenzen dabei zu beachten sind. Hinderungsgründe, die dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung entgegenstehen, ergeben sich regelmäßig nicht. Nach zutreffender Auffassung ist es ferner möglich, die Durchführung eines Schiedsverfahrens in der Satzung festzulegen. Allerdings muss die entsprechende Satzungsklausel nach herrschender Ansicht bereits im Zeitpunkt der Bestellung des Organmitglieds Bestandteil der Satzung gewesen sein.
Einverständnis des D&O-Versicherers einholen
Regelmäßig enthält der D&O-Versicherungsvertrag keine explizite Bestimmung darüber, ob Versicherungsschutz auch im Falle eines Schiedsverfahrens besteht. Dann ist es praktisch unerlässlich, das Einverständnis des D&O-Versicherers mit der Durchführung des Schiedsverfahrens einzuholen. Denn andernfalls bestünde das Risiko fehlenden Versicherungsschutzes, das in aller Regel weder das Unternehmen noch das Organmitglied eingehen können. Ferner sollten die Beteiligten vor dem Beginn des Schiedsverfahrens abklären, ob ein Bedürfnis besteht, weitere Personen in den Rechtsstreit einzubeziehen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein in Anspruch genommenes Vorstandsmitglied vorbringt, für den eingetretenen Schaden sei ein Vorstandskollege verantwortlich. Die Einbeziehung dieses Vorstandskollegen in das Schiedsverfahren (etwa als Streitverkündeter oder als weiterer Beklagter) ist grundsätzlich nur mit dessen Zustimmung möglich. Die Beteiligten tun daher gut daran, diese Zustimmung bereits vor dem Beginn des Schiedsverfahrens einzuholen.
Eine alternative Gestaltungsmöglichkeit besteht darin, dass das Unternehmen und der D&O-Versicherer ein Schiedsverfahren durchführen. Dies setzt voraus, dass das Organmitglied seinen versicherungsrechtlichen Freistellungsanspruch an das Unternehmen abtritt. Diesen Anspruch kann das Unternehmen dann gegen den Versicherer geltend machen. Sofern eine Schiedsvereinbarung getroffen ist, wird der Rechtsstreit vor einem Schiedsgericht geführt. Das Schiedsgericht entscheidet über die Organhaftung inzident, da die Haftung Anspruchsvoraussetzung für den Freistellungsanspruch ist. Eine solche Strukturierung der Streitigkeit kann je nach Fallgestaltung gesellschafts-, beweis-, versicherungs- und prozessrechtliche Fragen aufwerfen. Diese Fragen sollten nach Möglichkeit durch explizite vertragliche Absprachen zwischen den Beteiligten geklärt werden. Praktisch bedeutet dies, dass es auch bei dieser Gestaltung nicht genügt, wenn sich das Unternehmen und das Organmitglied über die Verfahrensgestaltung einig sind. Vielmehr ist in die verfahrensgestaltenden Abreden auch der D&O-Versicherer mit
einzubeziehen. Bei einer Aktiengesellschaft können sich zudem Zuständigkeitsfragen stellen. Dies gilt beispielsweise für die Frage, ob ein zustimmender Beschluss der Hauptversammlung erforderlich ist und inwieweit ein etwaiges Zustimmungserfordernis durch entsprechende Gestaltung vermieden werden kann.
Diskretes Instrument der Streitbeilegung
Das Schiedsverfahren kann sich demnach als diskretes Instrument der Streitbeilegung anbieten, wenn Fragen der Haftung von Organmitgliedern zu klären sind. Die genannten Abstimmungen mit dem D&O-Versicherer sind regelmäßig möglich, wenn alle Beteiligten einem Schiedsverfahren offen gegenüber stehen. Die Prüfung, ob anstelle eines gerichtlichen Verfahrens ein Schiedsverfahren durchgeführt werden soll, ist in jedem Organhaftungsstreitfall empfehlenswert.
„