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Die Frauenquote ist da, wie geht es weiter?

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Der Bundestag hat am 6.3.2015 das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst beschlossen. Darin sind zwei Regelungen enthalten, welche die Unternehmen der Privatwirtschaft betreffen: Zum einen müssen börsennotierte Unternehmen, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, eine fixe Geschlechterquote von 30% für Männer und Frauen im Aufsichtsrat beachten. Zum anderen sind Unternehmen, die entweder börsennotiert sind oder der Mitbestimmung (einschließlich der Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz) unterliegen, verpflichtet, Zielgrößen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Geschäftsführungsorgans, im Geschäftsführungsorgan und im Aufsichtsrat sowie entsprechende Erreichensfristen festzusetzen. Über die praktischen Folgen für Unternehmen berichtet Stephan Schulz, Partner bei Noerr in Frankfurt.

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Die Frauenquote wird ab dem 1.1.2016 für etwa 108 Unternehmen gelten. Dies hat zunächst keine Auswirkungen für amtierende Aufsichtsratsmitglieder in Unternehmen, in deren Aufsichtsräten die Quote noch nicht erfüllt wird. Ihre Amtszeiten laufen bis zu ihrem regulären Ende, und die Frauenquote ist erst bei Wahlen, Entsendungen oder gerichtlichen Bestellungen nach ihrem Ausscheiden zu beachten. Das wird in der Praxis dazu führen, dass beim vorzeitigen Ausscheiden von Aufsichtsratsmitgliedern in Unternehmen, die von der Quote betroffen sind und sie noch nicht erfüllen, so lange Frauen zu neuen Mitgliedern bestellt werden müssen, bis die Quote erfüllt ist.

Quote wird Aufsichtsratswahlen ab 2016 prägen

Sobald nach dem 1.1.2016 bei Hauptversammlungen betroffener Unternehmen Neuwahlen des Aufsichtsrates anstehen, muss die Quote beachtet werden. Viele erwarten, dass es für die Unternehmen schwierig wird, eine ausreichende Zahl geeigneter Kandidatinnen zu finden. In solchen Fällen ist die neue Regelung sehr streng: Es sind keine Ausnahmen vorgesehen, auch nicht, wenn es wichtige Gründe gibt, einen Kandidaten des überrepräsentierten Geschlechts zu wählen. Sofern nicht vor der Hauptversammlung, auf der die Aufsichtsratswahl auf der Agenda steht, noch eine Arbeitnehmerwahl stattfindet, werden die Anteilseignervertreter als erste mit der Frauenquote konfrontiert werden. Sie müssen der Hauptversammlung Wahlvorschläge für den Aufsichtsrat unterbreiten, mit denen der Quote entsprochen wird. Dabei müssen sie entscheiden, ob sie ihr Widerspruchsrecht gegen die so genannte Gesamtlösung ausüben wollen. Grundsätzlich wird die Quote nämlich auf den gesamten Aufsichtsrat angewandt, d. h. über beide Bänke hinweg. Das kann jedoch dazu führen, dass die Anteilseignerbank mehr als 30% ihrer Sitze mit Frauen besetzen muss, wenn die Arbeitnehmer bislang nur sehr wenige Frauen in den Aufsichtsrat gewählt haben (z. B. wenn die Arbeitnehmer in einem 12er-Aufsichtsrat nur eine Frau gewählt haben, müssen die Anteilseigner zur Erfüllung der Quote bei Gesamtbetrachtung drei Frauen wählen). Üben sie das Widerspruchsrecht aus, ist die Quote nur auf ihre Bank anzuwenden (so genannte Trennungslösung), so dass von ihnen nur zwei Frauen zu wählen wären. Das Widerspruchsrecht dürfte daher oftmals ausgeübt werden.

Von den Pflichten zur Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil werden etwa 3 500 Unternehmen betroffen sein. Diese Pflichten gelten für Gesellschaften, die entweder börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen. Somit können die Pflichten auch Unternehmen in den Rechtsformen GmbH, eG und VVaG erfassen. Die Unternehmen müssen die Zielgrößen und Erreichensfristen spätestens am 30.9.2015 durch entsprechende Organbeschlüsse erstmals festgelegt haben. Die ersten Erreichensfristen dürfen nicht länger sein als bis zum 30.6.2017.

Der Aufsichtsrat, der zur Bestimmung der Zielgrößen für das Geschäftsführungsorgan und den Aufsichtsrat verpflichtet ist, kann seine Pflichten ohne viel Vorarbeit erfüllen, weil die Mitgliederzahl der Organe feststeht. Anders sieht es für das Geschäftsführungsorgan aus, das die Zielgrößen für die beiden nachgeordneten Führungsebenen festlegen soll. Insoweit ist zunächst zu ermitteln, wie sich die Führungsebenen im betroffenen Unternehmen zusammensetzen. Keineswegs kann davon ausgegangen werden, dass sich die Führungsebenen unmittelbar aus den tatsächlich bestehenden Strukturen ableiten lassen. So hat der Gesetzgeber die Vorstellung, dass die Führungsebenen nur in Bezug auf die betroffene Gesellschaft festzulegen sind. In der Praxis sind die Führungsstrukturen jedoch überwiegend konzernweit ausgestaltet.

Verbindlichkeit für Personalentscheidungen

Nicht geklärt ist die Verbindlichkeit der festgesetzten Zielgrößen. Das kann vor allem bei der Bestellung von Vorstandsmitgliedern relevant werden, wenn diese für die gesetzliche Höchstdauer von fünf Jahren erfolgen soll und sich keine geeignete weibliche Bewerberin findet. Dann kann schon diese Bestellung dazu führen, dass die Zielgröße in der dafür vorgesehenen Frist nicht erreicht wird. Da der Gesetzgeber ein Nichterreichen der Zielgrößen nicht sanktioniert hat, ist jedoch nur von einer eingeschränkten Bindungswirkung der Zielgrößen auszugehen. Die Organe dürfen also Personalentscheidungen treffen, die den festgesetzten Zielgrößen widersprechen, wenn es hierfür überwiegende Gründe gibt.

 

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