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Verantwortungseigentum – Was bringt eine neue Rechtsform für Unternehmen?

Langsam wird es ernst, wenn man Thorsten Lieb glaubt. Der FDP-Politiker, stellvertretender Vorsitzender im Bundestags-Rechtsausschuss, kündigte vor ein paar Tagen im ARD-„Mittagsmagazin“ einen Entwurf für das Ampel-Projekt einer neuen Unternehmensrechtsform „in den nächsten Monaten“ an.

Auch die Befürworter, angeführt von der Stiftung Verantwortungseigentum um den Unternehmer Armin Steuernagel, trommeln wieder lauter. Inzwischen hat Steuernagel 22 Wirtschaftsverbände hinter sich versammelt, darunter den mitgliederstarken Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) und die IHK Saarland.

Seit dem ersten Aufschlag 2020 hat sich nicht nur der Unterstützerkreis verändert. Aus der ursprünglich angepeilten GmbH-Modifikation ist inzwischen die Idee einer komplett neuen Rechtsform geworden, einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV). Die Kernanliegen sind aber nach wie vor dieselben: Ähnlich wie bei den prominenten Vorbildern Bosch, Zeiss, ZF Friedrichshafen oder auch Alnatura soll das Unternehmensvermögen und auch künftige Gewinne im Unternehmen selbst gebunden bleiben.

Gesellschafter, so der Vorschlag, sollen nur Stimmrechte zu einem festen Nennwert erwerben und auch nur den Anspruch auf diesen Geldbetrag vererben können. Dabei geht es nicht um gemeinnütziges Wirtschaften, sondern um die Weiterführung funktionierender Geschäftsmodelle. Nur eben ohne das Risiko, dass Erben oder neue Eigentümer eine Firma durch hohe Entnahmen ausbluten oder an Investoren verkaufen, die ihrerseits durch hohen Fremdkapitaleinsatz die Bilanz unter Druck bringen. Die GmgV wäre dabei als Alternative zu Stiftungslösungen gedacht, die durch ihre aufwendige Struktur und diverse Vorgaben – realer statt nur nominaler Kapitalerhalt, behördliche Aufsicht – gerade für kleine Mittelstandsunternehmen oft ausscheiden.

Mehr Kontrolle, mehr Kosten

Die Kritik ließ schon bei Steuernagels erstem Gang in die Öffentlichkeit nicht auf sich warten. Abgesehen von parteipolitischen Posen – Friedrich Merz etwa sah gleich „den Sozialismus“ im Anmarsch – gab es durchaus auch gewichtige Einwände: Wie wäre es um die Haftung eines nur mit Stimmrechten beteiligten Gesellschafters bestellt, wer übernähme die Kontrolle? Würde der Staat mit der begünstigten Gewinnthesaurierung im Unternehmen ein Steuerschlupfloch öffnen? In den jüngsten Stellungnahmen der GmgV-Verfechter ist denn auch schon von einem neu zu schaffenden „Unternehmensaufsichtsverband“ mit Pflichtmitgliedschaft die Rede, die Einhaltung der Vermögensbindung soll in regelmäßigen Abständen durch Wirtschaftsprüfer testiert werden.

Einig sind sich die Praktiker darüber nicht, wie relevant GmgV-Konstrukte sein könnten. Für Mittelstandsbetriebe eine Alternative zu Stiftungsmodellen und mit Blick auf die besagten Zwecke auch zu GmbHs, meint Arne von Freeden, Steuerrechtsexperte bei Flick Gocke Schaumburg (FGS), der gemeinsam mit einer Gruppe von Rechtswissenschaftlern bereits an einem Verantwortungseigentums-Gesetzentwurf mitgearbeitet hat. „Die angestrebte Vermögensbindung ist über den Gesellschaftervertrag einer konventionellen GmbH so nicht möglich. Treuhandkonstruktionen, wie es sie jetzt schon gibt, sind eher aufwendig und nicht wirklich wasserdicht.“

Zwar gibt es GmbH-Modelle, die Minderheitsgesellschaftern Vetorechte bei bestimmten Entscheidungen einräumen, etwa Gewinnentnahmen oder einem Verkauf. Losgelöst von Personen bleibt dafür allerdings wieder nur der Umweg über eine Stiftung, wie z.B. bei der Suchmaschine Ecosia, die Gründer Christian Kroll schon 2018 unter dem Schlagwort „Purpose“ entsprechend umgewandelt hat.

Stiftungsmodelle setzten „einen gewissen Aufwand bei der Gestaltung voraus“, räumt Dirk Schauer, Vermögens- und Nachfolgespezialist bei CMS Hasche Sigle, ein. Ob der Aufwand bei einer GmgV tatsächlich so viel geringer wäre, bleibe aber abzuwarten. „Jedenfalls zeichnet sich mit den bereits absehbaren Pflichten zur regelmäßigen externen Prüfung auch ab, dass bei der beabsichtigten GmgV auch erhebliche laufende Zusatzkosten anfallen könnten, die nicht zu vernachlässigen wären.“

Knackpunkt Steuerrecht

Eine Gratwanderung dürfte der Gesetzgeber dort vor sich haben, wo es um die genaue steuerliche Behandlung der GmgV geht. CMS-Partner Schauer warnt davor, Ansatzpunkte für Gestaltungen zu eröffnen, die nicht beabsichtigt sind. Es wäre „zu Ende zu denken, ob die GmgVs nicht einen steuerneutralen Transfer des Vermögensstammes eröffnen könnten, während über entgeltliche Nutzungsüberlassungen der Ertrag des Vermögensstammes nach außerhalb der Struktur transferiert werden kann.“ Also genau das Gegenteil dessen, was die Verantwortungseigentums-Initiatoren im Sinn haben.

Andersherum sollten diese Bedenken aber nicht dazu führen, dass GmgVs eigens ein Klotz ans Bein gebunden wird. In vielen anderen Fällen werde es steuerlich vom Gesetzgeber sogar belohnt, wenn Geld im Unternehmen gehalten werde und dort für Investitionen zur Verfügung stehe, berichtet FGS-Partner von Freeden. „Natürlich darf man mit der GmgV kein Steuersparmodell einführen, aber warum hier plötzlich strengere Maßstäbe angelegt werden sollten als bei ganz gewöhnlichen GmbHs, erschließt sich mir nicht.“

Relativ einfach zu beseitigen wäre dagegen das Risiko, dass hier privatwirtschaftliche Unternehmen steuerlich subventioniert ins Unendliche wachsen und Ressourcen binden, die anderswo besser aufgehoben wären. Von Freeden plädiert für einen „Aus-Knopf“ mit Bedingungen; es brauche sicher noch „Möglichkeiten, die GmgV wieder aufzulösen, womit auch das angesammelte Kapital wieder freiwürde. Um den Sinn der neuen Gesellschaftsform nicht zu konterkarieren, könnte man eine Auflösung zugunsten gemeinnütziger Zwecke ermöglichen.“

Nur für Idealisten?

Häufiger dürfte freilich der gegenteilige Fall eintreten: Unternehmen, die bei der Umwandlung in eine GmgV gut laufen, mit der Zeit aber in Schwierigkeiten geraten. Durch die Rechtsform sollte diesen Firmen besser kein zusätzlicher Nachteil entstehen. Genau das aber wäre die Gefahr, meint Barbara Mayer, Gesellschaftsrechtspartnerin bei Advant Beiten. Ein als GmgV strukturiertes Unternehmen, prophezeit sie, würde sich „die Finanzierungsmöglichkeiten für die Zukunft mit Blick auf Eigenkapital im Wesentlichen abschneiden“. Es sei praktisch kaum vorstellbar, dass ein externer Investor zu den vorgeschriebenen Konditionen, also ohne Aussicht auf Gewinnbeteiligung, einsteigen würde.

Ähnliches gelte dann, wenn ein Unternehmensverkauf eigentlich die sinnvollste Lösung wäre. „Bei einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen fällt diese Option praktisch aus“, meint Mayer, schließlich müsse der Kaufpreis dauerhaft dem Nennwert der Anteile entsprechen. „Dadurch wären den Gesellschaftern und dem Management in Krisensituation die Hände gebunden, dann bliebe im Extremfall nur noch die Insolvenz.“ Das zentrale Problem in Nachfolgesituationen – Wie finde ich einen fähigen und verantwortungsvollen Geschäftsführer, der das Unternehmen im Sinne aller Stakeholder weiterführt? – löse die GmgV ohnehin nicht; „eher im Gegenteil, weil sie die materiellen Anreize auf eine Tätigkeitsvergütung beschränkt“.

Was nichts an der breiten, vielfach positiven Resonanz ändert, die das Konzept Verantwortungseigentum in Politik, Gesellschaft und Teilen der Wirtschaft bekommen hat. Auch Experten wie der ehemalige Ober-Wirtschaftsweise Lars Feld, als Christian Lindners Chefberater vielleicht der einflussreichste Ökonom im Land, stehen hinter dem Projekt. Der Bedarf an Organisationsformen unter dem Vorzeichen gesellschaftlicher Verantwortung, sieht auch CMS-Anwalt Schauer, sei „definitiv da“.

Als Stiftungsspezialist hätte er allerdings noch einen anderen Vorschlag. Parallel zur GmgV, so Schauer, könne man auch über weitere Modifikationen des gerade reformierten Stiftungsrechts nachdenken, etwa über eine „Öffnung des Stiftungsrechts für die bisher unzulässige Selbstzweckstiftung“, die allein den Zweck des Unternehmenserhalts verfolgt, oder über eine „Flexibilisierung im Bereich der Satzungs- und Grundlagenänderungen“. Man darf gespannt sein, welche Optionen am Ende die meisten Anwender finden. np

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