Aktive ETFs: Erfolgsprodukte gefangen in der Nische
Aktive ETFs sind die neuen Trendprodukte. Sie wachsen rasant und versprechen die Chance auf Alpha, sind liquide, transparent und günstig. Warum sie trotzdem in der Nische bleiben.

Es ist wieder soweit. Nach ETF, ESG und ELTIF gibt es einen neuen Trend: Aktive ETFs. Die entsprechenden Pressemitteilungen enthalten alle wichtigen Stichworte: Mehrwert, Innovation, „wichtiger Meilenstein“, Reaktion auf „sich wandelnde Bedürfnisse“ und so weiter.
Bedürfnisse oder zumindest Anlegerwünsche scheinen sie tatsächlich zu erfüllen, wie ein Blick auf die Zahlen zeigt. 2024 erzielten sie laut der Xetra ETF- und ETP-Statistik über alle Kennzahlen hinweg neue Rekorde. Das in auf Xetra handelbaren aktiven ETFs investierte Vermögen erreichte Ende 2024 44,2 Mrd. Euro, nahezu doppelt so viel wie Ende 2023 (22,4 Mrd. Euro).
Die Verwaltungsgebühren der aktiven ETFs liegen (Stand heute) durchschnittlich bei 0,36%, die Spanne reicht von 0,05% bis 0,89%. Zum Vergleich: Index-ETFs kosteten Ende 2024 durchschnittlich 0,27%
Treiber der Zuflüsse sind Institutionelle und professionelle Investoren. Das sagt Ivan Durdevic, Leiter ETF-Vertrieb für die DACH-Region sowie Zentral- und Osteuropa bei J.P. Morgan Asset Management im Gespräch mit PLATOW. Doch hätten sich die Assets bei den Retail-Investoren innerhalb eines Jahres sogar verzehnfacht. Grund dafür sind aber auch die hier noch sehr niedrigen absoluten Zahlen, wie Durdevic hinzufügt. Da J.P. Morgan der mit Abstand größte Anbieter aktiver ETFs in Europa ist, dürften diese Zahlen durchaus für die gesamte Branche sprechen.
Oddo BHF und Union Investment in den Startlöchern
In der Hoffnung, dass sich tatsächlich jedes Angebot seine eigene Nachfrage schafft, sind die Emittenten fleißig: Die Zahl der aktiven ETFs kletterte zwischen 2023 und 2024 von 78 auf 197. Und das Wachstum beschleunigt sich sogar noch: Inzwischen sind 335 aktive ETFs auf Xetra handelbar. Eine Zahl, die bis Jahresende steigen wird. So hat beispielsweise J.P. Morgan im Gespräch mit PLATOW bereits neue aktive ETFs für Mitte Oktober angekündigt.
Auch die Zahl der Anbieter steigt: Ende 2023 waren es noch 18, Ende 2024 schon 22. Vor wenigen Tagen hat auch Schroders seine ersten aktiven ETFs lanciert. Oddo BHF und Union Investment haben ebenfalls angekündigt, in den Markt einzusteigen. Auf PLATOW-Anfrage heißt es, dass Oddo BHF das Angebot „in nicht allzu ferner Zukunft vorstellen“ will, nachdem man alle erforderlichen Genehmigungen erhalten habe. Genaue Zeitpläne behält auch Union Investment für sich. Tobias Stein, Leiter Produkt- und Investmentprozesse bei Quoniam, einer Tochter von Union Investment, bestätigt immerhin, dass man an einer Enhanced-Strategie im ETF-Vehikel arbeite. Damit bleibt man indexnah.
Transparenz und Liquidität haben ETFs groß gemacht
Warum sind aktive ETFs bei Anbietern und Anlegern so beliebt? Weil sie versprechen, die Vorteile aktiven Managements – die Chance auf Alpha – mit den Vorteilen des ETF-Mantels zu verbinden. Bisher wurden ETFs oft mit passiven Vehikeln gleichgesetzt. Das war aber nicht erfolgsentscheidend: „Transparenz und Liquidität sind die Eigenschaften, die den ETF groß gemacht haben“, sagt, Durdevic.
Schaut man sich die Zahlen genauer an, könnte diese These sogar stimmen. Denn nicht nur das rasante Wachstum, auch die Quelle der Zuflüsse spricht dafür: „Es mag überraschen, aber 90% der gesamten Assets, die in unsere aktiven ETFs fließen, kommen aus passiven und nicht aus aktiven Produkten“, so Durdevic.
Ein Punkt, den gleich mehrere Emittenten, mit denen wir gesprochen haben, bestätigen. Man fürchtet keine Kannibalisierung der eigenen aktiven Strategien, wenn man gleichzeitig ETFs anbietet. Aktive ETFs seien keine Konkurrenz, sie würden klassische aktive Fonds vielmehr ergänzen. ETFs sind liquide, transparent und günstig. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile.
Keine Angst vor Kannibalisierung
Avni Thakrar-Neeliah, Leiterin Produkt- und Marktstrategie bei Schroders begründet: „Es gibt Investmentansätze, die sich nicht effizient in einem ETF abbilden lassen. Gründe sind zum Beispiel die Komplexität der Strategie oder illiquide Märkte.“
Auch bei Oddo BHF fürchtet man keine Konkurrenz zu aktiven Fonds. Vorstand Nicolas Chaput sagt: „Traditionelle Publikumsfonds sind nach wie vor die bevorzugte Wahl für Strategien mit hoher Überzeugung und hohem Alpha sowie für Nischenstrategien und maßgeschneiderte Mandate.“
Vereinfacht zusammengefasst bedeutet das: Für illiquide Märkte sind die liquiden ETFs denkbar ungeeignet. Und auch die Transparenz kann zum Problem werden. Von Arbitrage-Möglichkeiten profitiert nur, wer sie für sich behält. Sobald Arbitrage-Möglichkeiten bekannt und ausgenutzt werden, verschwinden sie.
Gefangen in der Nische
Hinzu komme der Beratungsbedarf, gerade von Privatanlegern. Dieser würde in erster Linie durch die Vertriebsgebühren finanziert, die bei ETFs entfallen. Aktive Fonds haben den Emittenten zufolge also nach wie vor ihre Berechtigung, trotz der höheren Kosten und geringeren Transparenz, oder vielleicht genau deshalb.
Damit steht fest: Aktive ETFs kannibalisieren eher passive ETFs. Auch das allerdings nicht im großen Stil. Im Gegenteil: Aktive ETFs wachsen zwar rasant, sind aber ein Nischenprodukt. 1,83 Bio. Euro erreichte das in ETFs und ETPs verwaltete Vermögen. 2.328 ETFs und 446 ETPs konnten auf Xetra gehandelt werden. Selbst wenn aktive ETFs ihr Wachstumstempo beibehalten, werden sie ihre Nische in den nächsten Jahren also nicht verlassen können.