Anwesenheitspflicht

Homeoffice-Regelungen – Elende Diskussion

Mobiles Arbeiten hat über dreieinhalb Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie noch immer einen schwierigen Stand. Das liegt auch an den Medien, die v. a. Wirtschaftslenker zu Wort kommen lassen, die von der „alten“ Denke geleitet sind.

27. Oktober 2023
Arbeitsutensilien aus dem Homeoffice
© CC0

So hat sich nach Trigema-Patriarch Wolfgang Grupp jüngst auch Blackstone-Chef Stephen Schwarzman entschieden gegen Homeoffice ausgesprochen. Der Tenor: Die wichtigen und leistungsfähigen Leute arbeiten alle und jederzeit im Büro. Da wirkt die Aussage von ING-Deutschlandchef Nick Jue in dieser Woche umso erfrischender. Bei ihm machen Mitarbeiter im Schnitt 50% Homeoffice und arbeiten dabei auch nicht schlechter, das misst die Bank quantitativ nach.

Der Wettbewerber DKB bietet allen Mitarbeitern die Option für sog. „Flexwork“, sie können dabei bis zu 30 Tage im Jahr ortsunabhängig arbeiten – sogar im EU-Ausland. Auch die Arbeitszeit kann dadurch flexibel gestaltet werden. Das Angebot wird gut genutzt: Etwa 70% der Mitarbeiter arbeiten mehr als 60% der Arbeitszeit gemäß dem Flexwork-Modell. Es sei „Produktivitätstreiber und Digitalisierungsbeschleuniger“, sagen über die Hälfte (56%) der Mitarbeiter in einer aktuellen internen Befragung, wie die DKB auf Anfrage mitteilt.

Beim Neobroker Scalable Capital ist Arbeiten im Ausland sogar bis zu 60 Tage im Jahr möglich. Das alles klingt verdächtig nach Schlaraffenland. Solange der Workload auf dem Qualitätsniveau der Präsenzarbeit erledigt wird, ist das schön und gut. Aber wehe, Führungskräfte vermuten einen Effizienzverlust. In dieser Hinsicht müssen sich Arbeitnehmer meist erst beweisen, der von Vorgesetzten gewährte Vertrauensvorschuss für Remote-Work scheint auch 2023 sehr begrenzt.

Die Neobank N26 befindet sich indes schon in der Umstellung auf ein „Remote-first“-Modell. Auch wenn der Großteil weiter regelmäßig ins Büro komme, werde das Angebot „gern genutzt“. Ein Dokumentieren der Präsenz und folglich auch eventueller Produktivitätsunterschiede erfolge nicht, so N26.

Im Grunde können Institute auch so viel messen, wie sie wollen. Eine Rückkehr zur hundertprozentigen Büropflicht ist selbst unter dem Argument der Effizienz nur schwer durchsetzbar, dafür sorgen Fachkräftemangel und die selbstbewussten Generationen Y und Z, die eine angemessene Work-Life-Balance und Gestaltungsfreiheit im Job einfordern.

In Sippenhaft genommen werden will zudem niemand. Nur, weil einzelne Kollegen Regeln ausnutzen oder schlechtere Ergebnisse produzieren, dürfen keine Rückschlüsse auf die gesamte Belegschaft gezogen werden. Als Arbeitgeber Diversität zu leben bedeutet eben auch, in Teilen auf individuelle Bedürfnisse von Mitarbeitern einzugehen. Die öffentliche Diskussion um Homeoffice ist noch zu sehr von Schwarz-Weiß-Denken bestimmt. Effizient ist das sicher nicht. ck

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