Niedrigere Inflation macht Oktober-Zinssenkung unumgänglich
Im Euroraum fiel die Teuerungsrate auf 1,8% (August: 2,2 %) im Vergleich zum Vorjahr – und damit erstmals seit drei Jahren unter den EZB-Zielwert von 2%. Die von Notenbankern stark beachtete Kerninflation, bei der schwankungsvolle Preise für Energie und Lebensmittel rausgestrichen werden, ging leicht auf 2,7 % zurück.
Frederik Ducrozet, EZB-Experte des Schweizer Vermögensverwalters Pictet, geht davon aus, dass die geringere Kerninflation und die Schwäche der Frühindikatoren die EZB zu einer schnelleren Zinssenkung zwingen. Notenbankchefin Christine Lagarde hat immer wieder betont, dass der weitere Kurs der EZB datenabhängig ist. „Wir erwarten, dass die EZB die Zinsen im Oktober um 25 Basispunkte und im Dezember um weitere 25 Basispunkte senken wird,“ sagt Ducrozet. Diese Erwartung teilen inzwischen auch die meisten Ökonomen. So gehen Goldman Sachs, die Deutsche Bank und die Commerzbank von einer Senkung im Oktober aus.
Auch von politischer Seite nimmt der Druck auf die Notenbank zu. „Die EZB hat keinen Grund mehr für eine zu restriktive Zinspolitik,“ kritisiert Rasmus Andresen, der für die Grünen im Währungsausschuss des Europaparlaments (Econ) sitzt. „Europa hat ein Konjunktur- und kein Inflationsproblem.“ Bei einer Anhörung vor dem Europaparlament hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Montag gesagt, dass die Entwicklung der Verbraucherpreise das Vertrauen gestärkt habe, zeitnah den angestrebten Zielwert der EZB von 2% zu erreichen. Die EZB werde dies „bei der nächsten geldpolitischen Sitzung im Oktober berücksichtigen“.
Die Deutsche Bank erwartet inzwischen, dass die EZB bereits Mitte 2025 den so genannten neutralen Zinssatz erreicht, also das Zinsniveau, wo die Geldpolitik die Wirtschaft weder stützt noch bremst. Wo sich der neutrale Zinssatz befindet, kann nur geschätzt werden. Experten gehen davon aus, dass er im Euro-Raum 2 bis 2,5% beträgt. Aktuell liegt der Einlagenzins im Euro-Raum bei 3,5%. jam