Andrea Orcel – Fast in der Höhle der Löwin
Mit seinem Auftritt in Frankfurt setzt Unicredit-Chef Andrea Orcel ein Zeichen Richtung Commerzbank. Deren Chefin Bettina Orlopp will ebenfalls zukaufen.

Unicredit-Chef Andrea Orcel weiß seine öffentlichen Auftritte geschickt zu inszenieren und dabei auch Drohungen mit einem charmanten Lächeln zu ummanteln. Mit seinem Auftritt auf der Bühne des „Handelsblatt-Banken-Gipfels“ im Frankfurter Kongresszentraum „Kap Europa“, nicht weit entfernt vom Commerzbank-Tower, wollte Orcel sicher auch ein Zeichen setzen, dass er seinem Übernahmeziel immer näherkommt. Unicredit werde bis zum Jahresende knapp 30% der Commerzbank-Stimmrechte halten, ließ Orcel die Muskeln spielen. Aktuell sind es bereits 26%. Zudem haben die Italiener über Optionen Zugriff auf weitere 3,31%, die Orcel wohl noch im September in Aktien wandeln könnte.
Der Unicredit-Lenker räumte zwar ein, dass er den Gegenwind aus der Politik, der in ganz Europa bei Übernahmeversuchen zu spüren sei, unterschätzt habe. Doch abhalten lassen will er sich davon offensichtlich keineswegs. So ließ Orcel kaum verhüllt durchblicken, dass er die Übernahme der Commerzbank notfalls auch gegen den Widerstand der Bundesregierung durchziehen will. Die Position der Regierung, die er respektiere, sei zwar ein „kritischer Faktor“, aber nicht der einzige, ließ Orcel verlauten.
Position der Regierung nur ein Faktor von vielen
Dass Orcel weiterhin zögert, ein Übernahmeangebot für die Commerzbank vorzulegen, liegt denn auch weniger an der politischen Gegenwehr aus Berlin, sondern vielmehr am hohen Kursniveau der Commerzbank-Aktie, das einen solchen Deal für Unicredit wenig attraktiv macht. Kein Wunder, dass sich Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp, die einen Tag vor Orcel auf der selben Bühne auftrat, mit dem aktuellen Aktienkurs sehr wohl fühlt. Bei dieser Gelegenheit erteilte Orlopp auch gleich möglichen Ambitionen der Italiener auf einen Sitz im Commerzbank-Aufsichtsrat eine klare Absage. Die Commerzbank und die Unicredit-Tochter HVB seien in Deutschland unmittelbare Wettbewerber. Deshalb drohe ein Interessenkonflikt, wenn im Commerzbank-Aufsichtsrat ein Unicredit-Vertreter mit am Tisch säße.
Orcel sieht das jedoch völlig anders. Es gäbe klare Regeln, um in solchen Fällen Interessenkonflikte auszuschließen. Auch sei es dann üblich, einen „unabhängigen Vertreter“ in den Aufsichtsrat zu schicken, versuchte Orcel zu beschwichtigen. Unicredit hatte kürzlich zwar verlauten lassen, „momentan“ keinen AR-Sitz bei der Commerzbank anzustreben. Doch damit befeuerte Orcel sicher nicht ohne Absicht erst recht die Spekulationen um mehr Einfluss der Italiener auf den Commerzbank-Aufsichtsrat.
Liebäugelt Orlopp mit Marcard, Stein?
Derweil liegt Orlopp selbst auf der Lauer nach potenziellen Übernahmezielen. Die Commerzbank prüfe „die ganze Zeit“ mögliche Akquisitionen, berichtete Orlopp ohne konkret zu werden. Dabei dürfte sie auch das Bankhaus Marcard, Stein & Co auf dem Radar haben, das von M.M. Warburg angeblich zur Disposition gestellt wurde, wie die „Finanz-Szene“ jüngst berichtete. Marcard, Stein fungiert vor allem als Family Office und würde somit gut in die Strategie der Commerzbank passen, die auch im Wealth Management wachsen will. Nach unseren Informationen soll sich Orlopp bereits während ihrer Zeit als Commerzbank-CFO mit dem Institut beschäftigt haben.
Begegnung bei Bank of America-Konferenz?
Auf dem „Banken-Gipfel“ konnten sich Orlopp und Orcel noch bequem aus dem Weg gehen. Das könnte auf der Investoren-Konferenz der Bank of America am 17.9. in London anders sein. Denn dort liegen die Präsentationen von Orcel (8:00 Uhr) und Orlopp (9:30 Uhr) zeitlich nah beieinander, so dass eine persönliche Begegnung durchaus möglich wäre. Zu mehr als einer höflichen Begrüßung und vielleicht etwas Smalltalk werden sich die beiden Kontrahenten aber kaum hinreißen lassen.