Zertifikate

BaFin-Bremse für Turbozertifikate stellt Branche auf die Probe

Einst fielen bei der BaFin Bonitätsanleihen in Ungnade, heute sind es Turbozertifikate. Wenn die Aufsicht den Vertrieb beschränken will, kann die Branche um den Verband BSW wenig ausrichten. Vor allem Auslandsbanken zittern.

Jan Schrader,
BaFin in Frankfurt am Main
BaFin in Frankfurt am Main © Kai Hartmann Photography/BaFin

Die BaFin besänftigen: Vor dieser heiklen Aufgabe steht Christian Vollmuth, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands für strukturierte Wertpapiere (BSW), nun bereits zum zweiten Mal: Hatte der Vertreter der Zertifikatebranche einst eine weitreichende Selbstverpflichtung organisiert, um ein Vertriebsverbot für Bonitätsanleihen zu verhindern, muss er heute die BaFin von einer Entschärfung einer Produktbremse für Turbozertifikate überzeugen.

Die gehebelten Produkte, die auch als Knock-out-Papiere bekannt sind, haben auf längere Sicht ca. 74% der Kleinanleger einen Verlust eingebrockt, wie die BaFin in einer Studie zeigt. 3,4 Mrd. Euro haben Anleger binnen fünf Jahren verloren. Die Zahlen dienen als Grundlage für Warnhinweise, ein Verbot von Boni und Lockangeboten und für Testfragen, die das Totalverlustrisiko, hohe Kosten und den spekulativen Charakter der Produkte unterstreichen sollen.

Viel wäre für die Branche gewonnen, wenn sie den Anlegern diese Fragen nicht wie aktuell geplant halbjährlich stellen müsste, einige Fragen ändern könnte oder die Warnhinweise weniger deutlich ausfielen. Bis zum 3. Juli bleibt Zeit für Stellungnahmen zu den bislang vorläufigen Plänen. Das Geschäft mit Turbozertifikaten wird von Auslandsbanken beherrscht, darunter Société Générale, Vontobel, Morgan Stanley, HSBC und BNP Paribas.

Nach dem Weggang des ehemaligen Verbandschefs Henning Bergmann, der früher beim DSGV für Kapitalmarktrecht verantwortlich war und heute den mächtigen Mittelstandsverbund führt, hat nun Vollmuth im Verband die Zügel in der Hand.

Doch der Jurist weiß, wie wenig sich im Gespräch mit der BaFin zuweilen erreichen lässt. Die Selbstverpflichtung für Bonitätsanleihen, die Vollmuth 2016 unter Druck der BaFin mit der Branche abgestimmt hatte, sieht etwa eine Mindeststückelung von 10.000 Euro und ein Vertriebsverzicht an risikoscheue Anleger vor.

Die zinsähnlichen Anlageinstrumente, die bei Zahlungsausfall eines Referenzschuldners zu Verlusten führen können, sind im Volumen von damals rund 5,7 Mrd. Euro auf heute 1,7 Mrd. Euro gefallen. Die kurzen Turbozertifikate, die allein im April auf einen Börsenumsatz von 3,5 Mrd. Euro kamen, werden es künftig ebenfalls schwer haben.

Etwas wohlwollender sieht die BaFin das Segment der Zins- und Expresszertifikate, die rege von Sparkassen und Genossenschaftsbanken vertrieben werden. „Keine systematischen und gravierenden Mängel“, lautet der Befund bzgl. Entwicklung und Vertrieb. Die Aufsicht zeigt sich freundlich und bissig zugleich – ein Zeichen von Autorität.

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