Filialgeschäft

Erwacht der „Finanzpunkt“ aus seinem Dornrößchenschlaf?

Sparkassen und Volksbanken betreiben nur selten gemeinsame Filialen. Jetzt findet das Modell, das nahe Frankfurt als „Finanzpunkt“ bekannt ist, im Norden Deutschlands neue Anhänger.

Jan Schrader,
Hans-Jürgen Behr, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Altmark West (2. v. l.), mit dem Vorstand der Volksbank eG Südheide – Isenhagener Land – Altmark, Patrick Lieb (2. v. r.), geben den Start, gemeinsam mit Landrat Steve Kanitz (l.) und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Volksbank, Claus Dreblow (l.), für die gemeinsame Kooperation „Sparkasse und Volksbank“.
Hans-Jürgen Behr, Chef der Sparkasse Altmark West (2. v. l.), und der Vorstand der Volksbank Südheide, Patrick Lieb (2. v. r.), eröffnen eine gemeinsame Filiale, und zwar mit Landrat Steve Kanitz (l.) und dem Volksbank-Aufsichtsratschef Claus Dreblow (r.). © Sparkasse Altmark, Volksbank Südheide

Eine Sparkasse, eine Volksbank, zwei gemeinsam betriebene Filialen: Die Sparkasse Altmark West lässt in einer Filiale in Diesdorf rund 40 Kilometer nördlich von Wolfsburg jeden Montag ein Team der Volksbank Südheide Isenhagener Land Altmark ins Haus. Dienstag bis Freitag ist wie gewohnt die Sparkasse vor Ort. Umgekehrt öffnet die Volksbank montags einem Sparkassen-Team in Beetzendorf die Tür, betreibt aber ansonsten selbst die Filiale für den Rest der Woche. Hier wie dort prangt ein kombiniertes Logo über dem Eingang.

Das Modell „Sparkasse und Volksbank“ geht über einen gemeinsamen Standort für Geldautomaten hinaus – und erinnert an das Konzept der „Finanzpunkte“, das am Main ersonnen wurden: Ursprünglich hatten die Frankfurter Volksbank unter Eva Wunsch-Weber und die Taunus Sparkasse unter Oliver Klink die gemeinsam betriebenen Filialen im Jahr 2019 eröffnet. Auch dort wechseln sich seither Teams des einen und des anderen Instituts im Laufe der Woche ab. Anders als nun im Norden schufen sie mit dem Finanzpunkt sogar ein eigenes Logo. Die Partner werten die Finanzpunkte als Erfolg. Ihre Kooperation haben sie nach fünf Jahren verlängert.

Kein Selbstläufer

Doch das oft gelobte Konzept findet bisher kaum Nachahmer. Zwar folgten 2021 nahezu zeitgleich die Sparkasse Oberpfalz Nord und die Raiffeisenbank Oberpfalz NordWest, die Sparkasse Tauberfranken und Volksbank Main-Tauber sowie die Sparkasse Ansbach und die VR-Bank Mittelfranken West. Seither schloss sich aber kein öffentliches-genossenschaftliches Duo mehr an.  Bisher zählen Taunus Sparkasse und Frankfurter Volksbank insgesamt 17 Finanzpunkt-Filialen plus einige SB-Standorte, während die übrigen Duos nur auf jeweils ein bis zwei Standorte kommen.

Kooperationen zwischen roten und blauen Adressen sind zwar deutschlandweit häufig. Doch sie beschränken sich fast immer auf gemeinsame SB-Standorte. So haben die IT-Häuser Atruvia im Lager der Kreditgenossen und die Finanz Informatik der Sparkassen gemeinsam nutzbare Geldautomaten („Dual Use“) ermöglicht.

Die Konkurrenz im Haus

Gemeinsame Filialen sind eine andere Nummer. Es ist viel verlangt, sich die Konkurrenz ins Haus zu holen. Der ehemalige Genoverband-Chef Ingmar Rega sagte bereits vor drei Jahren, dass Wettbewerb in der Fläche ein zentraler Aspekt sei. Laut einer damaligen Mitgliederumfrage des Verbands waren gemeinsame Filialen für die allermeisten Genossenschaftsbanken kein Thema.

Auch die Koordination ist schwierig: Zwei Rivalen müssen entscheiden, wie viel sie in die neuen Standorte investieren, welche Filialen aufgegeben werden, wer wann und wo erreichbar ist, wie sensible Informationen bewahrt werden. Nicht zuletzt müssen sich die Partner aufeinander verlassen können und sich folglich per Kooperationsvertrag binden. Wer investiert, will sicherstellen, dass der Partner nicht nach kurzer Zeit abspringt.

Ungleiche Partner

Die Sparkasse Altmark West und Volksbank Südheide sind ungleiche Partner: Während die Volksbank in Celle ihren Sitz hat und damit von Niedersachsen aus ein weites Gebiet betreut und größer ist, konzentriert sich das Geschäft der kleineren Sparkasse auf den Altmarktkreis Salzwedel in Sachsen-Anhalt. Dort hat sie auch mehr Filialen als die Volksbank. Somit treten die Institute nur im geringen Umfang in unmittelbare Konkurrenz.

Bis zu 2 Mrd. Euro ließen sich einsparen, sofern sich das Modell gemeinsamer Filialen durchsetze, wie Klink von der Taunus Sparkasse 2021 lockte. Er berief sich dabei auf eine Schätzung der Beratungsgesellschaft Deloitte. Noch mehr Kosten spart freilich, wer die Filialen gleich ganz einstellt.

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