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EZB-Strategie – Welche Lehren Lagarde aus früheren Fehlern zieht

Die EZB-Ratsmitglieder beraten auf einem Retreat in Porto über Anpassungen an der geldpolitischen Strategie. Welche Änderungen sich aufgrund des verheerenden Preisschocks abzeichnen.

Jan Mallien,
EZB-Chefin Christine Lagarde
EZB-Chefin Christine Lagarde © EZB

Statt wie üblich in Frankfurt oder virtuell zu tagen, haben sich die EZB-Ratsmitglieder am Dienstag und Mittwoch zu einem informellen Retreat im portugiesischen Porto versammelt. Derartige Treffen gehören in der Amtszeit von EZB-Präsidentin Christine Lagarde dazu. Bereits kurz nach ihrem Amtsantritt lud sie ihre Ratskollegen zu einem Treffen zu Rotwein und Zigarren ins Schlosshotel Kronberg im Taunus ein. Damals ging es vor allem darum, das zerstrittene Gremium in einer entspannten Atmosphäre zu einen. Jetzt steht die neue Strategie der EZB im Vordergrund.

Anders als bei der großen Strategieüberprüfung 2021, wo Lagarde erklärte, jeden Stein umdrehen zu wollen, geht es dieses Mal nicht um den großen Wurf. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die EZB flexibler auf die extreme Unsicherheit reagieren kann. Dabei spielen die Erfahrungen während des Preisschubs ab 2021 eine zentrale Rolle, als die EZB zu spät die Geldpolitik straffte. Absehbar ist bereits, dass sich die EZB weiter von der Forward Guidance verabschieden wird, also dem Ansatz, sich weit im Voraus auf die zukünftige Geldpolitik festzulegen. Aus Sicht von Kritikern führte diese Strategie dazu, dass die EZB in den Jahren 2021 und 2022 zu spät auf die hohe Inflation reagierte.

Auch die EZB-Inflationsprognosen sorgten für massive Kritik, die weit daneben lagen. Hier hat die Notenbank bereits Anpassungen vorgenommen. Das Thema ist aber äußerst sensibel. Als sich EZB-Präsidentin Lagarde vor einiger Zeit in ihrer Pressekonferenz kritisch zu den Prognosen äußerte, sorgte das intern für Unmut. Viele nahmen die Kritik persönlich. Der Aufschrei in der EZB war fast so groß wie im Frühjahr 2024, als Lagarde auf dem Weltwirtschaftsforum Ökonomen vorwarf, eine „Stammesclique“ zu bilden, die sich hauptsächlich mit sich selbst beschäftigen würde.

Ein weiteres Thema bei der neuen Strategie ist der künftige Werkzeugkasten der Geldpolitik. Hier hat sich EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel kritisch zum Instrument massiver Anleihekäufe geäußert. Sie lehnt dieses Mittel nicht grundsätzlich ab, wirft aber die Frage auf, in welchen Situationen es angemessen ist. Vor allem, wenn es darum geht, die Inflation anzuschieben, könnte die EZB künftig stärker auf andere Instrumente setzen. Eine wichtige Etappe auf dem Weg zur neuen Strategie ist nach dem Retreat ebenfalls in Portugal. Dort treffen sich Ende Juni die führenden EZB-Vertreter zur Notenbank-Konferenz in Sintra. Insider rechnen damit, dass dort einige Testballons losgelassen werden. Der EZB-Rat müsste dann später formal Anpassungen beschließen. Offiziell will die EZB die Ergebnisse ihrer Strategie-Überprüfung in der zweiten Jahreshälfte 2025 vorstellen.

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