Neobanken graben den Etablierten das Konto ab – und bald auch die Einlagen?
Lokale Bankfiliale war gestern: Immer mehr Kunden eröffnen ihr erstes Konto bei Neobanken – und gefährden so die Einlagenhoheit der Etablierten.

Konto weg, Einlagen weg? Die etablierten Banken geraten bei Neukontoausschlüssen unter massiven Druck der digitalen Konkurrenz, die beeindruckende Wachstumszahlen vorlegen.
Nahezu jedes zweite Girokonto (45 %) wird inzwischen bei Neo- oder Direktbanken eröffnet. Noch können sich die traditionellen Banken bei den Einlagen behaupten (84 % Marktanteil), wie dem „McKinsey German Retail Banking Snapshot“ zu entnehmen ist, doch könnten sie langfristig dem Trend der Konteneröffnungen zu Neo- und Direktbanken folgen, sagt Ursula Weigl, Partnerin bei McKinsey, im Gespräch mit PLATOW. Grundsätzlich steigt auch bei den Einlagen insgesamt der Wettbewerbsdruck durch neue Angebote und Aktionen etablierter wie neuer Anbieter und erfordert von den Banken Strategien zur Differenzierung, analysiert Weigl.
Lob für die Neuen
Der Erfolg der Neobanken hat aus Weigels Sicht zwei Komponenten: eine hausgemachte und eine strukturelle. „Die Neobanken kombinieren Kundenzentriertheit mit einer sehr attraktiven Preispositionierung“, lobt die Expertin. Gleichzeitig differenzieren Kunden heutzutage stärker zwischen ihren täglichen Bankgeschäften und anderen Finanzfragen. Während dies bei Baufinanzierungen schon lange der Fall ist, zeige sich der Trend auch immer stärker im Bereich Geldanlage, so die Expertin.
Diese Fragmentierung sollten etablierte Banken in ihren Strategien berücksichtigen. Das Gewinnen oder Halten der Hauptbankverbindung bleibe essenziell, sei aber nur ein Faktor für ein erfolgreiches Privatkundengeschäft. Banken müssten darüber hinaus bestehende Kundenbeziehungen vertiefen, in die Kundenbindung insbesondere junger Menschen investieren und ihr Angebot durch die Integration von Drittanbieter-Produkten sowie die Stärkung digitaler Kanäle optimieren.
Digitaler Vertrieb
Speziell im Vertrieb müssen etablierte Häuser digitaler werden. Bislang bieten nur 20% der Banken in Deutschland und Österreich vollständig digitalisierte Produktabschlüsse in ihren Apps an. Bei den „Smartphone-Banken“ sind es dagegen 79 %, analysiert Max Flötotto, Senior Partner bei McKinsey, im Gespräch mit PLATOW über den technischen Wandel.
Auf verlorenem Posten stehen die Etablierten trotz dieser Zahlen allerdings nicht, beruhigt Flötotto. Die Angebote der klassischen Banken würden „immer nutzerfreundlicher“. Entscheidend werde es für viele Institute sein, so Flötotto, „den Fokus von digitalem Service noch stärker auf digitalen Vertrieb zu verlagern, um noch mehr digitale Produktabschlüsse zu ermöglichen“. Die zunehmende Technisierung des Marktes führe zudem zu Verschiebungen zugunsten schneller, digitaler Häuser, bestätigte jüngst James von Moltke, CFO der Deutschen Bank – selbstredend sieht er sein Haus in diesem Kreis.