Regulierung – Sewings Alarmsignal an Brüssel
Mit dem Wahlsieg von Donald Trump wächst in Europa die Sorge, dass die vom künftigen US-Präsidenten entfesselten amerikanischen Banken ihre globale Vormachtstellung endgültig zementieren und die europäischen Institute noch mehr ins Hintertreffen geraten. Das Kursfeuerwerk der US-Bankaktien am Tag nach der US-Wahl gab denn auch einen Vorgeschmack auf die von der Börse erwartete Deregulierungsoffensive der neuen Trump-Administration im Bankensektor. Bei der Marktkapitalierung sind die US-Banken ihren europäischen Rivalen bereits um Lichtjahre voraus. In Sachen Profitabilität seien die EU-Institute jedoch mittlerweile fast auf Augenhöhe, stellte Deutsche Bank-Chef Christian Sewing auf der „Euro Finance Week“ in Frankfurt fest.
Doch auch mit dieser Aufholjagd dürfte es schnell vorbei sein, wenn Europa nicht auf die veränderten regulatorischen Rahmenbedingungen in den USA reagiert. Schon vor Trumps Wahlsieg sei klar gewesen, dass die USA die Basel III-Reform nur abgeschwächt umsetzen werden, deshalb müsse Brüssel jetzt nachziehen, forderte Sewing, der auch Präsident des deutschen (BdB) und europäischen Bankenverbands (EBF) ist. Im BdB wird nach dem Trump-Triumph sogar erwartet, dass die USA komplett auf die Umsetzung von Basel III verzichten werden.
Vor diesem Hintergrund warb Sewing für ein Moratorium für neue Regulierungsvorhaben, zumal auch Großbritannien derzeit die Bankenregulierung auf den Prüfstand stelle. Doch schnelle Abhilfe ist aus Brüssel kaum zu erwarten. Die neue EU-Kommission befindet sich noch in der Findungsphase und in Deutschland stehen Neuwahlen vor der Tür. Bis alle EU-Institutionen wieder voll handlungsfähig sind, kann es noch etwas dauern.
Den Vorsprung der amerikanischen Banken bei der Marktkapitalisierung führt Sewing nicht zuletzt auch auf den großen, einheitlichen US-Kapitalmarkt zurück, während in Europa ein „Flickenteppich“ herrsche. Umso mehr muss es Sewing wurmen, dass ausgerechnet sein Lieblingsprojekt, die Kapitalmarktunion, zuletzt stark an Schwung verloren hat. Denn die beiden wichtigsten politischen Antreiber für einen einheitlichen europäischen Verbriefungsmarkt, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Kanzler Olaf Scholz, sind mittlerweile zu lame ducks mutiert und haben ganz andere Sorgen als die Kapitalmarktunion.
Ob transnationale Großbanken-Fusionen eine Lösung sein könnten, um die Vormachtstellung der US-Institute zu brechen, diskutierte das hochkarätig besetzte Podium auf der „Euro Finance Week“ nur mit angezogener Handbremse. Offensichtlich wollten die versammelten Vorstandschefs ihrer um die Eigenständigkeit der Commerzbank kämpfenden Kollegin Bettina Orlopp nicht auf offener Bühne in den Rücken fallen.