Auf diese drei Punkte kommt es bei der EZB-Sitzung an
Die EZB-Ratsmitglieder streiten sich selten. Geschieht dies doch, deutet das meist auf eine Phase großer Unsicherheit hin. In Krisen herrscht meist Einigkeit über Zinssenkungen – und bei hoher Inflation über Zinserhöhungen. Aktuell ist die wirtschaftliche Unsicherheit im Euro-Raum so groß wie lange nicht.
Völlig unklar ist, ob der neue US-Präsident Donald Trump Strafzölle gegen Europa verhängt oder welche Regierung künftig in Frankreich die Geschicke lenkt. Daher überrascht es nicht, dass die Notenbankvertreter vor der Ratssitzung am Donnerstag weit auseinanderliegen bei der Frage, wie weit sie die Zinsen noch senken wollen. Investoren achten bei der Pressekonferenz von EZB-Präsidentin Christine Lagarde vor allem auf drei Punkte.
Erstens die Zinspolitik. So gut wie sicher senkt die EZB den Einlagenzins um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 3%. Lagarde wird sich höchstwahrscheinlich nicht auf die weitere Schrittfolge danach festlegen und betonen, dass die EZB datenabhängig handelt. Die jüngsten Äußerungen einflussreicher Ratsmitglieder zeigen jedoch große Unterschiede: Isabel Schnabel etwa sieht nur begrenzten Spielraum für weitere Zinssenkungen, der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau und andere halten deutlich mehr für möglich. Die Verfechter einer straffen Geldpolitik argumentieren, dass weiterhin hohe Lohnabschlüsse die Inflation relativ hochhalten könnten. Dagegen spricht aber die extrem schwache Wirtschaft im Euro-Raum. Eine wichtige Frage auf der Pressekonferenz von Lagarde ist daher: Klingt sie mehr wie Schnabel oder Villeroy.
Zweitens: Die neuen Wachstums- und Inflationsprognosen, die die EZB vorlegt. Wahrscheinlich korrigiert sie ihre Wachstumsvorhersage für den Euro-Raum für nächstes Jahr nach unten. Goldman Sachs rechnet damit, dass die Notenbank diese von 1,3 auf 1,1% reduziert. Die US-Bank selbst erwartet nur 0,8%. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Berenberg. Für die Inflation erwarten beide Häuser kaum Veränderungen. Je stärker die EZB ihre Wachstums- und Inflationsprognosen nach unten korrigiert, desto stärker das Signal für weitere Zinssenkungen.
Drittens: Das politische Chaos in Frankreich. Vermutlich wird Lagarde von der Presse auch dazu befragt werden. Der Chef-Berater der Unicredit, Erik Nielsen, deutete jüngste Äußerungen von Lagarde zu Europas Umgang mit dem neuen US-Präsidenten Trump bereits als subtile Botschaft an ihr Land, dass sie als nächste Präsidentin zur Verfügung stehe. Spekulationen über einen Wechsel nach Paris gibt es immer wieder. Allerdings hat Lagarde selbst noch keine Wahl gewonnen. Kritiker verweisen darauf, dass sie viel Angriffsfläche böte.