Zentralbanken

EZB vor schwierigem Balanceakt bei der Zinsdebatte im Dezember

Bislang ging die Notenbank davon aus, dass die Inflation 2027 fast den Zielwert erreicht. Doch das steht in Zweifel – und könnte für kontroverse Debatten sorgen.

Jan Mallien,
Die EZB mit Hauptsitz in Frankfurt am Main
Die EZB mit Hauptsitz in Frankfurt am Main © Unsplash

Christine Lagarde und ihre Kollegen aus dem EZB-Rat richten die Zinspolitik nach Daten aus, nicht nach Bauchgefühl. Das ist zumindest ihr Mantra. Alle drei Monate veröffentlicht die Notenbank neue Inflationsprognosen, die den Kurs vorzeichnen. Auf ihrer Sitzung im Dezember aber steht die EZB vor einem Kommunikationsdilemma. Die Prognose, die sie dann vorlegt, könnte ein deutliches Unterschreiten des Inflations-Zielwerts von zwei Prozent für das Jahr 2027 zeigen. Strikt nach Datenlage würde das eigentlich für eine weitere Zinssenkung im Euroraum sprechen. Doch das ist eher unwahrscheinlich, auch wenn die Prognosen den Verfechtern einer lockeren Geldpolitik Futter liefern.

Regeländerung dämpft Inflation 2027

Grund für wahrscheinlich niedrigere Inflationsprognose ist der EU-Beschluss, die europaweite Einführung des Emissionshandels für die Sektoren Wärme und Verkehr um ein Jahr auf 2028 zu verschieben. Bisher rechnete die EZB mit einem Start 2027. Ökonomen erwarten, dass der Emissionshandel preistreibend wirkt und im Jahr der Einführung zu einer um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte höheren Inflationsrate führt. Die Verschiebung könnte also die Inflation im Jahr 2027 in entsprechendem Umfang drücken. Im September hatten die Ökonomen der Notenbank für 2027 noch eine Inflationsrate von 1,9% vorhergesagt.

Auf ihrer Pressekonferenz Ende Oktober äußerte Lagarde auf eine Frage zu den möglichen Folgen des Effekts noch die Hoffnung, dass die EU am Starttermin für den Emissionshandel 2027 festhält. Gleichzeitig erklärte sie, dass sie einer möglichen Verzögerung nicht zu viel Bedeutung beimessen würde.

Neue EZB-Generation geprägt vom Preisschock

Aus aktueller Perspektive ist es wahrscheinlich, dass die EZB im Dezember den entscheidenden Einlagenzins dennoch auf dem bisherigen Niveau von 2,0% belässt. Dabei spielt auch die Prägung des EZB-Rates eine entscheidende Rolle. Die Generation von EZB-Ratsmitgliedern unter dem früheren Notenbankchef Mario Draghi erlebte Niedriginflation und Nullzinsen. Die heutige Generation, einschließlich von Christine Lagarde, hat den Preisschock nach der Pandemie im Gedächtnis. Damals vertrauten die Notenbankvertreter zu lange ihren Prognosemodellen – die sie auf die falsche Fährte führten.

Vor allem EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel drängt aktuell auf eine straffe Geldpolitik. Sie betonte diese Woche auf einer Konferenz der BNP Paribas, dass sie aktuell eher das Risiko einer zu hohen Inflation sieht. Das führt sie vor allem auf die anziehende Konjunktur zurück und weil die Regierungen begonnen hätten, hohe Summen in Militär und Infrastruktur zu stecken.

Abonnieren Anmelden
Zur PLATOW Börse