Exklusiv

EZB-Ratsmitglied Holzmann: „Ich bin für eine mögliche Zinspause im April“

Im Interview warnt Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann vor einem Wiederanstieg der Inflation. Aufrüstung und lockere Schuldenregeln könnten zu steigenden Zinsen führen.

Jan Mallien,
Robert Holzmann, Chef der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB)
Robert Holzmann, Chef der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) © OeNB

Gouverneur Holzmann, EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat auf ihrer Pressekonferenz nach der Ratssitzung vergangene Woche gesagt, dass sie als einziges Mitglied die Beschlüsse nicht mitgetragen haben. Hat Sie das eigentlich gestört?

Nein, das wäre wahrscheinlich ohnehin bekannt geworden.

Warum waren Sie dagegen?

Ich war nicht dagegen, ich habe mich enthalten – das ist ein Unterschied. Der Grund für diese Enthaltung lag vor allem in der begleitenden Kommunikation.

Sie meinen die Einschätzung im Eingangsstatement, wonach die Geldpolitik weiter restriktiv wirkt, also die Wirtschaft bremst.

Genau. Auch mit einem Einlagenzins von 2,5% ist weiter von einer restriktiven Geldpolitik die Rede, das wurde nur anders formuliert und etwas abgeschwächt. Das heißt: Wenn wir dies ändern wollen und die Geldpolitik nicht mehr restriktiv sein soll, müssen wir die Zinsen weiter senken. Meine Einschätzung ist, dass wir bereits im neutralen Bereich sind.

Sind sie also gegen weitere Zinssenkungen?

Ich bin für eine mögliche Zinspause im April. Auf der nächsten Sitzung wird es darum gehen, wie viele Ratsmitglieder, die bisher noch mitgegangen sind, aber Bedenken angemeldet haben, sich dann gegen eine weitere Zinssenkung entscheiden können. Aufgeschoben heißt ja nicht aufgehoben.

Ist das Ende der Zinssenkungen eventuell schon erreicht?

Betrachten wir die weltpolitische Lage, besteht eher die Gefahr eines Wiederanstiegs der Inflation. Zum Beispiel wegen der Zölle oder der möglichen großen Entscheidungen über europäische Aufrüstung oder eine Änderung der deutschen Schuldenregeln. Das sind alles Entwicklungen, die die Inflation unter Umständen erhöhen. Man weiß noch nicht, was alles kommen wird. Sollte es jedoch so kommen, deutet die Richtung bei den Zinsen eher auf neutral bis steigend hin, nicht auf neutral bis fallend.

Sollte die EZB angesichts der hohen Unsicherheit vor weiteren Zinsentscheidungen nicht erstmal abwarten, in welche Richtung sich das entwickelt?

Genauso sehe ich es. Wir haben sechsmal die Zinsen gesenkt. Jetzt zeichnen sich neue Entwicklungen ab, deren Folgen noch unklar sind. Wenn sie so eintreten wie beabsichtigt, steigt die Inflation wahrscheinlich. In dem Fall senken wir die Zinsen nicht, sondern warten bis zum Sommer. Im Juni haben wir dann neue Prognosen von der EZB und den nationalen Notenbanken. Das gibt uns dann eine bessere Basis, um Entscheidungen zu treffen.

Sie wollen also vor weiteren Schritten die Prognosen im Juni abwarten?

Nicht nur die Prognosen, die sind nur ein kleiner Teil. Es geht darum zu sehen, welche Handlungen die großen Staaten in Europa treffen. Wenn man sich auf die Verteidigung konzentriert, besteht die Gefahr, dass die Budgetsanierung vernachlässigt wird.

Was ist die Alternative?

Aus meiner Sicht wäre der beste Weg, fiskalische Probleme zu verhindern, etwa das faktische Pensionsantrittsalter Schritt für Schritt zu erhöhen. Wir haben ein Rentenproblem in Österreich, Deutschland und Europa. Aber das sind so Lösungen, die in Europa, in den meisten Ländern, auf wenig Unterstützung stoßen.

Wenn die Pläne umgesetzt werden wie geplant, also in Deutschland Pakete für Infrastruktur und Verteidigung kommen und in ganz Europa höhere Verteidigungsausgaben. Welche Folgen hat das aus Ihrer Sicht?

Wenn das kommt und die anderen Staatsausgaben oder -einnahmen unverändert bleiben, dann hat man einen sehr starken Fiskalstimulus. Dieser führt normalerweise zu einer stärkeren Preisentwicklung.  In diesem Fall würde die Geldpolitik wahrscheinlich wieder in die andere Richtung gehen müssen.

Aktuell herrscht große Unruhe an den Finanzmärkten, vor allem in den USA. Wie schätzen Sie das ein?


Das macht mir natürlich große Sorgen. Die größte Volkswirtschaft mit den bedeutendsten Finanzmärkten hat einen wesentlichen Einfluss auf den Rest der Welt. Ähnlich wie die Entwicklung in Deutschland großen Einfluss auf Österreich hat, haben die USA großen Einfluss für den Rest der Welt.

Investoren fürchten eine Rezession in den USA. Wie schätzen Sie das Risiko ein?

Durch die jüngsten Aussagen des Präsidenten herrscht ein hohes Maß an Verunsicherung. Das ist extrem negativ für Unternehmens-Investition. Für Investitionen sind Zinsen wichtig, aber das Wesentlichste ist die Markterwartung. Wenn man die Markterwartung anschaut, kann eine Rezession nicht mehr ausgeschlossen werden.

Das spricht doch eigentlich für eine lockere Geldpolitik.

In den USA, ja. Man muss bedenken, dass dort die Zinsen immer noch viel höher sind als in Europa. Sie haben eher die Möglichkeit, nach unten zu gehen. Die nächsten Schritte dort werden bei Rezessionsgefahren sicher Zinssenkungen sein.

Aber dies hätte doch auch Folgen für Europa. Spricht das nicht auch für eine weitere Lockerung der Geldpolitik der EZB?

In Europa insgesamt haben wir keine Rezession, in einzelnen Ländern wie Deutschland und Österreich schon. Höhere Verteidigungsausgaben würden die Wirtschaft stützen, aber nicht zu einem Wachstumsschub führen. Davon wären auch Industrien betroffen, die unter den hohen Energiepreisen gelitten haben. Für die Rezessionsländer wäre das ein Vorteil. Aber mit der großen Gefahr, dass eben auch die Preisentwicklung damit unterstützt wird.

Lassen Sie uns noch kurz über die laufende Strategieüberprüfung der EZB sprechen. Was sind aus ihrer Sicht die wichtigsten Themen?

Vor allem drei Punkte. Erstens die Frage, wie viel Gewicht wir den Inflationsprognosen einräumen. Diese reichen drei Jahre hinaus, aber wir dürfen uns nicht darauf verlassen und müssen selbst stark darauf schauen, was passiert. Zweitens sollte der Fokus stärker auf der Kerninflation liegen, aus der die Energie- und Nahrungspreise rausgestrichen werden. Das liegt daran, dass die Kerninflation die inländische Preisbildung darstellt. Die volatilen Preise für Energie und Nahrungsmittelpreise können wir kaum beeinflussen. Der dritte Bereich ist die geldpolitische Transmission, also die Übertragung der Zinsentscheidungen auf die Unternehmen und Haushalte. Zum Beispiel sind private Kredite in letzter Zeit stärker gestiegen. Hier sind immer noch einige Zusammenhänge unklar.

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