Lagarde bereitet Märkte auf Serie weiterer Zinssenkungen vor
Nach einer aktualisierten Schätzung lag die Rate im Euro-Raum nur noch bei 1,7% – und damit deutlich unter dem EZB-Zielwert von 2%. Die jüngste Daten „lassen uns glauben, dass sich die Inflation definitiv abschwächt,“ sagte Lagarde. Die EZB senkte erwartungsgemäß den für die Finanzmärkte entscheidenden Einlagenzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,25%.
Anders als zuletzt ihr US-Amtskollege Jerome Powell vermied Lagarde es, davon zu sprechen, dass die Inflation besiegt sei. Interessant an ihrer Wortwahl war, dass sie nun bei der Inflation eher Risiken nach unten als nach oben sieht. Dies spricht dafür, dass die EZB im Dezember ihre Inflationsprognosen nach unten korrigieren muss. Das würde die Tür für schnellere Zinssenkungen öffnen.
Viele Ökonomen erwarten dies. So rechnet Mark Wall von der Deutschen Bank damit, dass die EZB bis April auf jeder Ratssitzung die Zinsen um je 0,25 Prozentpunkte senkt. Frederik Ducrozet vom Schweizer Vermögensverwalter Pictet erwartet dies sogar bis Juni 2025.
Wie schon bei den vorherigen Pressekonferenzen betonte Lagarde, dass sich die EZB nicht im Voraus auf bestimmte Zinsschritte festlegt. Für eine schnellere Lockerung spricht aber auch, dass die Entscheidung für die Zinssenkung dieses Mal einstimmig fiel. Auch stramme Verfechter einer straffen Geldpolitik wie der österreichische Notenbankchef Robert Holzmann, der noch im Juni als einziges Ratsmitglied gegen eine Zinssenkung gestimmt hatte, trugen den Beschluss mit. Lagarde blieb bei ihrer Einschätzung, dass es in Europa keine Rezession geben wird. Sie gehe von einer weichen Landung aus.
Kritiker werfen der EZB vor, dass sie zu zaghaft auf die schwache Wirtschaft reagiert. Vor allem für Deutschland fielen die Stimmungsindikatoren zuletzt sehr schwach aus. So warnte der frühere BdB-Chef Hans-Walter Peters davor, dass die Konjunktur in Deutschland „kollabiert“ (siehe PLATOW v. 3.9.24.). Experten sind sich einig, dass die Zinsen auf dem aktuellen Niveau die Wirtschaft bremsen.
EZB-Vertreter wie Chefvolkswirt Philip Lane und Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel haben geschätzt, dass sich dies erst bei einem Einlagenzins von ungefähr 2 bis 2,5% ändert. Pictet-Experte Ducrozet sieht inzwischen gestiegene Risiken, dass die EZB die Zinsen sogar unter dieses Niveau senken wird. Als Grund verweist er darauf, dass die Regierungen in wichtigen Euro-Ländern wie Deutschland und Frankreich sparen wollen. Wenn von der Finanzpolitik keine Konjunkturimpulse kommen, wäre die Geldpolitik stärker gefordert. jam