Geldpolitik

Mehr Transparenz für den Markt mit OTC-Derivaten

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Die Insolvenz von Lehman Brothers und der unmittelbar folgende Beinahe-Ausfall der AIG im September 2008 haben gezeigt, welche Risiken die starke Vernetzung großer Finanzinstitutionen untereinander birgt; in Zeiten notleidender Märkte wirkt sich das komplexe Netz gegenseitiger Abhängigkeiten in fataler Weise aus. Insbesondere Credit Default Swaps (CDS – Kreditderivate) spielten beim drohenden Zusammenbruch der Finanzmärkte eine zentrale Rolle. Dementsprechend soll der bislang weitgehend unregulierte Markt der außerbörslich gehandelten Derivate (OTC-Derivate) transparenter werden, um die Risiken zu mindern und damit die Stabilität der Finanzmärkte zu erhöhen. Anna Rogge und Sven Brandt von der Sozietät Hogan Lovells geben einen Überblick.

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Eine der Lehren aus der Finanzkrise lautete: Mehr Transparenz ist notwendig. CDS und andere OTC-Derivate sind privat ausgehandelte Verträge, deren Inhalt bisher i. d. R. nur den jeweiligen Vertragspartnern bekannt ist. Dies soll sich nun ändern. Beim G20-Gipfel in Pittsburgh im September 2009 haben die Staats- und Regierungschefs der G20 den Grundstein für eine weltweite Regulierung des Derivatemarktes und damit auch für die geplante EU-Verordnung gelegt. Standardisierte OTC-Derivate sollten danach zukünftig an Börsen oder elektronischen Handelsplattformen gehandelt und spätestens Ende 2012 über eine zentrale Gegenpartei (CCP) abgewickelt werden. Außerdem sollen OTC-Derivatekontrakte an Transaktionsregister gemeldet werden. In den USA wurden entsprechende Maßnahmen im Rahmen des Dodd-Frank Acts bereits umgesetzt.

Clearingpflicht für alle „finanziellen Gegenparteien“

Der aktuelle Entwurf einer „Verordnung des EU-Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister“ sieht insbesondere folgendes vor:

  • Eine Pflicht zur Abwicklung von Geschäften in „qualifizierten“ OTC-Derivaten über zugelassene CCPs. Die CCP betreibt ein Clearingsystem und tritt rechtlich als Käufer für den Verkäufer bzw. Verkäufer für den Käufer zwischen die Parteien des Derivatekontrakts, diese sind entweder als Clearingmitglied an der CCP beteiligt oder als Kunde eines Clearingmitglieds über dieses mit der CCP verbunden.
  • Eine Meldepflicht bezüglich Einzelheiten aller eingegangenen OTC-Derivatekontrakte einschließlich etwaiger Änderungen oder einer Beendigung derselben an ein registriertes Transaktionsregister.
  • Die Anwendung von Risikominderungstechniken in Bezug auf nicht über eine CCP abgewickelte Geschäfte in OTC-Derivaten. Dazu zählt auch die Stellung von Sicherheiten oder eine angemessene Eigenkapitalausstattung der Kontrahenten.
  • Die Zulassung und Beaufsichtigung von CCPs durch zuständige Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten und die Festlegung organisatorischer und aufsichtsrechtlicher Anforderungen an CCPs. Die Zulassung als CCP ist vor allem abhängig von der Erfüllung bestimmter Eigenkapitalanforderungen.

Der Clearingpflicht unterliegen zunächst alle „finanziellen Gegenparteien“, d. h. Banken, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen und andere Unternehmen des Finanzsektors. Auch Fonds unterfallen nach dem Gesetzesentwurf der Clearingpflicht. Sonstige Unternehmen („nichtfinanzielle Gegenparteien“) sind zum Clearing durch eine CCP nur bei Überschreiten eines noch festzulegenden Kontraktvolumens verpflichtet. Dabei werden Geschäfte, welche direkt mit der Geschäftstätigkeit der nichtfinanziellen Gegenpartei verbunden sind und insbesondere der Absicherung von Geschäftsrisiken dienen, nicht angerechnet. Darunter fallen z. B. Geschäfte zur Sicherung künftiger Kraftstoffpreise durch Fluggesellschaften oder zur Festlegung künftiger Verkaufspreise für Energieproduktionen durch Energielieferanten oder für Ernten durch landwirtschaftliche Betriebe. Zentrales Ziel der Clearingpflicht ist es, im Fall des Ausfalls eines Clearingmitglieds die Übertragung von dessen Geschäften auf ein anderes Clearingmitglied zu ermöglichen, damit bedeutende Marktteilnehmer im Falle ihres Scheiterns ohne systemische Verwerfungen vom übrigen Markt isoliert werden können.

Noch bestehen einige Unklarheiten

Grundsätzlich stößt die geplante Regulierung in der Finanzbranche auf positive Resonanz, die ISDA (International Swaps & Derivatives Association) hat jüngst die Ergreifung flankierender Maßnahmen zu Gunsten höherer Standardisierung von OTC-Derivaten, einer Ausweitung zentralen Clearings, der Verbesserung bilateren Risikomanagements und mehr Transparenz angekündigt. Viele Einzelheiten des Verordnungsentwurfs sind aber noch unklar, wie z. B. die Frage nach der Einbeziehung bereits bestehender Geschäfte in die Clearing- und Meldepflicht und evtl. Sonderregelungen oder Ausnahmen für Fonds. Die für den 20.4.11 geplante Verabschiedung des sog. Langen Berichts durch den Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments, welcher die Grundlage für die Entscheidungsfindung des Parlaments bildet, wurde auf den 24.5.11 verschoben, so dass sich auch die zunächst für Juni geplante Beschlussfassung im Europäischen Parlament verzögern dürfte. Dennoch besteht kein Zweifel, dass die Regulierung des Derivatemarktes kommt, und sich für alle Marktteilnehmer insbesondere die Frage stellt, in welchem Rahmen sie zukünftig der Clearingpflicht unterliegen und wie sie diese – operationell und rechtlich – erfüllen können.

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