Risiko doppelter Belastung bei Kapitalertragsteuer
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Ausschüttende Aktiengesellschaften sind nur dann von der Verpflichtung zum Einbehalt von Kapitalertragsteuern auf Dividenden befreit, wenn sich die Aktien im Inland in Sammelverwahrung gemäß § 5 DepotG oder in Sonderverwahrung gemäß § 2 DepotG befinden. Die Anwendung des neuen Verfahrens nach dem OGAW-IV-Umsetzungsgesetz – also die Abführung der Kapitalertragsteuer durch die Depotbank – setzt damit voraus, dass es sich dabei um ein inländisches Kreditinstitut handelt. Ausländische Institute sind hier ausgenommen. Wenn die Befreiung greift, zahlen die Aktiengesellschaften die Dividenden brutto an die jeweilige Zahlstelle der Depotbank aus. Für die Praxis muss jedoch zunächst die grundlegende Frage geklärt werden, welche Kreditinstitute überhaupt als inländisch gelten. So gibt es zahlreiche Geschäftsbanken mit Sitz im Ausland, die über mit voller Bankerlaubnis selbständig agierende Töchter in Deutschland verfügen. Hier wird im Einzelfall zu prüfen sein, inwieweit diese als inländische Bank zu behandeln sein werden.
Abwicklung der Dividendenregulierung
Greift die Befreiung nicht, bleibt es wie bisher bei der Steuerabführung nach dem Schuldnerprinzip. Die Aktiengesellschaft als Schuldner der Kapitalerträge schüttet die Netto-Kapitalerträge an die depotführende Bank aus und zahlt die Steuern direkt an den Fiskus. Für Dividenden, die unter den Anwendungsbereich der Neuregelung fallen, erfolgt die steuerliche Regulierung hingegen nicht mehr bei der Aktiengesellschaft als Schuldner der Kapitalerträge, sondern innerhalb der Kette der Depotbanken auf Basis der Brutto-Kapitalerträge. Dabei trifft die Steuereinbehaltungspflicht grundsätzlich das depotführende Institut als letztes Glied der Kette. Um die Kapitalertragsbesteuerung auch bei ausländischen Aktienbesitzern sicherzustellen, muss die letzte inländische Bank in der Kette den Kapitalertragsteuerabzug vornehmen, wenn die Dividendenzahlung über ein ausländisches Institut abgewickelt wird.
Doppelte Belastung bei Auslandsverwahrung
Problematisch wird diese Konstellation, wenn inländische Kreditinstitute Aktienbestände im Ausland verwahren, denn dies kann dazu führen, dass es zu einem doppelten Einbehalt von Kapitalertragsteuer kommt. Zunächst löst die Zahlung der letzten inländischen auszahlenden Stelle ins Ausland einen Steuerabzug aus. Sobald dann das inländische Kreditinstitut, das Aktien im Ausland verwahrt, die Dividende seinen Kunden gutschreibt, muss es erneut einen Steuerabzug vornehmen und über diesen Steuereinbehalt eine Steuerbescheinigung ausstellen. Der Kunde wird also zweifach zur Kasse gebeten und nur der nach doppelter Kapitalertragsteuerbelastung verbleibende Betrag ausgezahlt. Dieses Problem wurde bereits u. a. vom Bankenverband aufgeworfen, eine Regelung hierfür gibt es jedoch bislang nicht. Eine Lösung könnte darin liegen, den inländischen Kunden die Kapitalertragsteuer, die bereits bei Zahlung ins Ausland einbehalten und abgeführt wurde, erstatten zu lassen. Die hierfür benötigte Steuerbescheinigung müsste von dem inländischen depotführenden Institut auf den Namen seines Kunden über die ausländische Lagerstelle von dem Institut angefordert werden, das den Steuerabzug bei Zahlung ins Ausland vorgenommen hat. Die Erstattung könnte dann der Steuerpflichtige unter Vorlage der Steuerbescheinigung beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) beantragen.
Diese Vorgehensweise wäre jedoch für die Abwicklung in einem Massenverfahren, wie es künftig zu erwarten sein wird, absolut ungeeignet. Häufig ist nicht nur eine, sondern eine Kette von Lagerstellen im Ausland eingeschaltet, so dass die Praktikabilität des Verfahrens von der Mitwirkungsbereitschaft jeder einzelnen Stelle abhängt. Damit eröffnet sich ein weiteres Problem: Um Liquiditätsnachteile für Kunden so gering wie möglich zu halten, müsste den deutschen Privatanlegern die Möglichkeit einer Einzelsteuerbescheinigung in den beschriebenen Fällen der Auslandsverwahrung eingeräumt werden, damit über das BZSt zu viel entrichtete Beträge zeitnah erstattet werden könnten.
Fazit
Das Verfahren scheint mithin nicht zu Ende gedacht: Zum einen setzt es weitere Bürokratie in Gang, zum anderen sind Aktieninhaber, die ihre Aktien über inländische Kreditinstitute im Ausland verwahren lassen, dem Risiko der doppelten Belastung mit Kapitalertragsteuer ausgesetzt. Zudem ist eine zeitnahe Erstattung mangels erforderlicher Bescheinigungen fraglich. Ob bis zum Jahresende tatsächlich eine tragfähige Regelung für diese Fälle getroffen ist, bleibt unklar.
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