Debakel für Schwarmfinanzierungen
Mit Engel & Völkers Digital muss die erste Crowdfinanzierungs-Plattform Insolvenz anmelden. Ein anderer prominenter Branchenvertreter kann seine Renditeversprechen nicht halten.

Die Crowdfinanzierungs-Plattform Engel & Völkers Digital Invest hat Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Vor ziemlich genau einem Jahr hatte PLATOW bereits vor einem Kollaps der Schwarmfinanzierungen gewarnt. Was die Engel & Völkers-Pleite heraushebt, ist, dass die Plattform formell Insolvenz beantragte, während bisher lediglich Hunderte Projektpleiten zu Lasten der Anleger zu beobachten waren. Die großen Plattformen betreiben ihr Geschäft trotz insgesamt vieler maroder Projekte weiter. Engel & Völkers exkulpiert sich damit, dass es sich bei EV Digital um einen selbstständigen Lizenznehmer gehandelt habe. Das übersieht, dass sich der Anleger im Vertrauen auf die Kompetenz von Engel & Völkers, mit der bis heute ohne Insolvenzhinweis auf der Homepage geworben wird, engagierte. Grund für die Insolvenz sei, dass die Zahnärztekammer Berlin ein zugesagtes Darlehen für eine „außerordentliche Einmalverbindlichkeit“ nicht ausreichte.
Die Plattform investmentcheck.de von Stefan Loipfinger recherchierte zu dieser Einmalverbindlichkeit eine gerichtliche Entscheidung, die zu einer Lawine hätte werden können, so dass EV Digital Vergleichsverträge für andere schiefgelaufene Fundings abschloss. Die Zahlungen daraus wurden nicht mehr geleistet. Viele geschädigte Anleger hätten sich in der investmentcheck-Community organisiert, so Loipfinger. Bereits 2024 habe EV Digital 4,8 Mio. Euro Verlust ausgewiesen. Mit EV Digital Invest sei nun die erste große Crowdfunding-Plattform gescheitert. PLATOW hatte notwendige Insolvenzen schon vor über einem Jahr prognostiziert. Allerdings haben Nachranggläubiger praktisch keine Rechte, so dass Klagen sowohl gegen den Projektentwickler als auch gegen die Plattform sehr schwierig und sehr langwierig sind. Das dicke Ende kann also noch lange dauern.
Aufsicht mit Beißhemmung
Die große Crux der Aufsichtsbehörden ab Mitte der letzten Dekade war, dass trotz offensichtlicher Risiken Crowdfinanzierer unter politischen Welpenschutz fielen. Niemand wollte sich in der Niedrigzins-Hypephase als Verhinderer innovativer Finanzierungslösungen outen. Gleichzeitig überdeckte die Marktentwicklung viele Fehler, die insbesondere auch aus mangelndem Immobilien-Know-how der innovativen Finanzierer resultierten. Bei Engel & Völkers verließ sich der Anleger jedoch auf die Immobilien-Kompetenz des Namensgebers, mit der bis Redaktionsschluss geworben wird. Vor über fünf Jahren hatte PLATOW bereits einen prominenten Immobilienmatador aus Süddeutschland aus Haftungsgründen gewarnt, seinen Namen prominent für eine Crowdplattform aus seinem Interessenbereich herausstellen zu lassen. Wo Engel & Völkers draufsteht, kann ein Anleger auch Engel & Völkers-Kompetenz innen drin erwarten. Da könnte der Rückzug auf eine reine Namens-Lizenz nicht ausreichen. PLATOW ist gespannt, wie Gerichte entscheiden werden.
Bereits 2012 hatte PLATOW sich mit Michael Ullmann, dem deutschen „Erfinder“ der Crowd-Immobilienfinanzierung und seiner Plattform Kapitalfreunde befasst. Die Idee gefiel uns. Wir arbeiteten Bonitätsprüfung, Mittelverwendungskontrolle und Immobilien-Know-how als Erfolgsfaktoren ebenso heraus wie die Notwendigkeit, bei Fehlentwicklungen unterstützend eingreifen zu können. Ullmann gab die Idee allerdings als nicht kompatibel mit dem damals neuen KAGB auf. Zwischenzeitlich hatte ab etwa 2016 der Gedanke der Schwarmfinanzierung an Fahrt gewonnen. Hinsichtlich der Risiken wurde früh deutlich, dass eine zweistellig verzinste Nachrangfinanzierung bei Projektentwicklungen bei Planabweichungen mit großer Wahrscheinlichkeit ein Totalverlustrisiko beinhaltet.
Probleme auch bei Exporo?
Zudem war uns aufgefallen, dass allein eine leichte Konsolidierung des damals schon gehypten Preisniveaus um 10 bis 15% ausreichen würde, die Projektentwicklungen zu Lasten des Nachrangkapitals in Schwierigkeiten zu bringen. Damals hatten wir Zinswende, Bruch der Lieferketten, Baupreisexplosion, Terminprobleme, gestiegene Energiekosten und vieles mehr, das den Projektentwicklermarkt in eine schwere Krise gestürzt hat, noch gar nicht im Blick. Auch wunderte es uns, dass die formalen Zusatzsicherheiten, die die Plattformen zur Werbung nutzten, regelmäßig mit klassischen Negativklauseln vorrangiger Finanzierungen kollidieren mussten.
Inzwischen führt investmentcheck.de laut Loipfinger über 400 Pleiten auf und viele weitere Leistungsstörungen. Brandaktuell weist die Anlegerplattform auf ein drohendes Debakel bei den an sich eher sicheren Bestandsfinanzierungen des Marktführers Exporo hin. Hier wurde noch nicht einmal in riskantere Projektentwicklungen, sondern in angeblich sichere Bestände investiert. Investmentcheck hat die Zahlen von 38 Bestandsfinanzierungen ausgewertet und mit den anfänglichen Versprechen verglichen. Die Ist-Renditen liegen laut investmentcheck in allen 38 Fundings für Bestandsimmobilien weit hinter den Prognosen. Exporo ist Deutschlands führende Plattform für digitale Investments in Immobilien und Erneuerbare Energien. Über 1,1 Mrd. Euro soll die Plattform vor allem als Mezzanine-Kapital für Immobilienprojektentwicklungen eingesammelt haben.
Obwohl viele Finanzierungen leistungsgestört oder sogar insolvent seien (siehe Funding-Übersicht auf investmentcheck) tröstet Loipfinger noch die Anleger. Die Quote der Planverfehlungen sei immerhin geringer als bei anderen Plattformen. Für ein Lob der Auswahl-Experten in Bezug auf „handverlesene Anlagemöglichkeiten“ reiche das jedoch nicht. Es habe ein über mehrere Jahre propagiertes Bestandsgeschäft gegeben, bei dem kein einziges der aufgelegten Fundings die Planwerte erreicht habe.