Gastbeitrag

Grenzüberschreitendes Arbeiten in Corona-Zeiten

Unternehmen, die Mitarbeiter grenzüberschreitend einsetzen, müssen sich mit den steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen im Gaststaat befassen. Das ist zwingend erforderlich, um steuerliche Risiken zu minimieren und die Compliance-Anforderungen im Gaststaat zu erfüllen. Die aktuell wegen COVID-19 verhinderte Mobilität der Mitarbeiter wirft zusätzliche Fragen auf, erläutert Ludmilla Maurer, Steuerrechtlerin im Frankfurter Büro von Baker McKenzie.

Ludmilla Maurer
Ludmilla Maurer © Baker McKenzie

Unternehmen, die Mitarbeiter in einem anderen Staat einsetzen wollen, müssen sich mit einer Reihe von Fragen beschäftigen. Dazu gehört zunächst die Frage, ob die Tätigkeit des Mitarbeiters eine Betriebsstätte im Gaststaat begründen könnte. Eine Betriebsstätte würde zu einer möglichen Steuerpflicht des Unternehmens im Gaststaat führen. Selbst wenn der dem Gaststaat zuzuweisende Gewinn wegen der marginalen Tätigkeit des Mitarbeiters gering sein sollte, wäre die Verpflichtung des Unternehmens, im Gaststaat eine Steuererklärung abzugeben und hierfür eine Gewinnabgrenzung vorzunehmen, mit einem beträchtlichen administrativen und finanziellen Aufwand verbunden. Das Risiko, eine Betriebsstätte zu begründen ist besonders hoch, wenn das Unternehmen für seinen Mitarbeiter im Gaststaat Räumlichkeiten anmietet, die Unterkunftskosten bei einer Homeoffice-Tätigkeit trägt oder der Mitarbeiter eine Vollmacht besitzt, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen und er diese Vollmacht im Gaststaat auch gewöhnlich ausübt. Mitarbeiter mit Managementfunktionen können im Gaststaat den Ort der Geschäftsleitung und damit auch eine Betriebsstätte begründen.

Steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Melde-, Erklärungs- und Abzugspflichten im Gaststaat

Übt ein Mitarbeiter seine Tätigkeit im Gaststaat aus, können das Unternehmen ab dem ersten Einsatztag in diesem Staat steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Melde-, Erklärungs-und Abzugspflichten treffen. Wird beispielsweise ein von einer Niederlassung im Ausland angestellter Mitarbeiter im Inland tätig, besteht in Bezug auf den Arbeitslohn für die in Deutschland ausgeübte Tätigkeit ab dem ersten Einsatztag eine Lohnsteuerabzugsverpflichtung. Die den meisten grenzüberschreitend tätigen Mitarbeitern bekannte „183-Tage-Regel“ findet hier keine Anwendung, da es sich bei dem Stammhaus und der Niederlassung um ein und denselben rechtlichen Arbeitgeber handelt.

Ein ausländisches Unternehmen kann auch dann in Deutschland zum Lohnsteuerabzug verpflichtet sein, wenn es keine Betriebsstätte im Sinne des jeweils anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) hat. Ausreichend ist ein ständiger Vertreter im Inland, ohne dass dieser eine Vollmacht besitzen muss, Verträge im Namen des Unternehmens abschließen zu dürfen. Auch in der Sozialversicherung können für das Unternehmen Melde- und Abzugspflichten bestehen. Kommt das Unternehmen diesen Pflichten nicht nach, können dem Unternehmen neben einer Haftung für abzuführende Beträge auch Bußgelder bis hin zur strafrechtlichen Verantwortung drohen.

Risiko Doppelbesteuerung

Der Einsatz eines Mitarbeiters im Ausland kann neben seiner Steuerpflicht im Heimatstaat auch zu einer Steuerpflicht im Gaststaat führen. Besteht zwischen den beiden Staaten ein DBA, wird eine mögliche Doppelbesteuerung durch Regelungen eines solchen Abkommens vermieden. In einigen Staaten wird das Unternehmen allerdings nur dann von seiner Abzugspflicht befreit, wenn es bei der zuständigen Finanzbehörde eine Freistellung beantragt. Sollte es zwischen den beiden Staaten kein DBA geben, wie z. B. zwischen Deutschland und Brasilien, kann es zu einer Doppelbesteuerung des Mitarbeiters kommen. Die im Gaststaat entrichtete Steuer kann unter Umständen im Heimatstaat angerechnet werden. In Bezug auf die Sozialversicherung hat Deutschland mit einigen Staaten zweiseitige Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen.

Diese sollen bei der Arbeit in verschiedenen Staaten eine Doppelversicherung vermeiden. In den EU-, EWR-Staaten und der Schweiz finden zu diesem Zweck EG-Verordnungen Anwendung. Für eine Befreiung von der Sozialversicherung im Gaststaat muss der Arbeitgeber in den meisten Fällen eine entsprechende Bescheinigung im Heimatland des Mitarbeiters beantragen. Diese übermittelt meistens die erteilende Behörde an die zuständige Behörde des jeweils anderen Staates unmittelbar und muss vom Mitarbeiter mitgeführt werden. Besteht mit dem anderen Staat keine vergleichbare Vereinbarung, wie beispielsweise zwischen Deutschland und Russland, ist eine Doppelversicherung nicht ausgeschlossen und es kann eine Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in beiden Staaten bestehen.

Corona und Immobilität der Mitarbeiter

Mit diesen Fragen müssen sich auch Unternehmen beschäftigen, deren Mitarbeiter aktuell wegen COVID-19 in ihrer Mobilität behindert sind. Könnte die Tätigkeit des Mitarbeiters, ausgeübt im Homeoffice in einem anderen als seinem üblichen Einsatzstaat, eine Betriebsstätte begründen? Könnten im Homeoffice-Staat des Mitarbeiters für das Unternehmen Melde-, Erklärungs- und Abzugspflichten bestehen? Könnte der Mitarbeiter einer Doppelbesteuerung oder -versicherung unterliegen? Entscheidend wird hier wohl vor allem die Dauer der Immobilität sein. Dauert die Immobilität länger an, werden Unternehmen sich auch mit diesen Fragen befassen müssen.

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