Immobilienbranche entdeckt Rechenzentren als neue Assetklasse
Frankfurt ist in Deutschland der mit Abstand führende Standort für Rechenzentren. Berlin holt auf. Doch Investments in Rechenzentren haben ihre Tücken.

Deutschland ist der zweitgrößte Rechenzentrumsmarkt in EMEA (Europa, Naher Osten, Afrika), analysiert aktuell Cushman & Wakefield. Der EMEA-Data-Center-Markt überschreite in absehbarer Zeit die Schwelle von 24 Gigawatt (GW). Das Wachstum finde vor allem jenseits von Kernstandorte statt. Die Region Frankfurt bleibt mit zwei Dritteln der gesamten Kapazität in Deutschland die Nummer zwei hinter London unter den regionalen Märkten in EMEA. Das Wachstum verlagere sich auf Oslo, Helsinki, Lissabon und Berlin. Der Anstieg der Betriebskapazität gegenüber dem ersten Halbjahr 2024 liegt bei 21%. Die Kapazitätspipeline wächst sogar im Jahresvergleich um 43%. Das sind die Eckdaten des „EMEA Data Centre Update H1 2025“ von C&W. Aktuell werden in den immobilienwirtschaftlichen Research-Berichten aus PLATOW-Sicht Investments in Rechenzentren als neues Immobiliensegment für institutionelle Investoren gehypt. KI lässt Wachstumsprognosen explodieren. Dasselbe hörten wir zur Jahrtausendwende im damaligen Internet-Hype – und dann 20 Jahre nie wieder etwas.
Typisch ist nach PLATOW-Erfahrung die Reaktion der Banken und Investoren. Wenn das, wovon man etwas versteht, schiefgeht, wendet man sich Dingen zu, von denen man gar nichts versteht. Rechenzentren sind eher keine Immobilien, sondern Spezialinvestments oder Infrastruktur. Die Erfolgskriterien wie z. B. Nähe zur Börse decken sich eher zufällig mit Immobilienlagekriterien. Für die Immobilienwirtschaft kann das nur als Auftragsbau mit Vollamortisationsleasing bzw. einem Mietvertrag, auf dessen Bonität besonders zu achten ist, und der das Investment in der Vertragslaufzeit voll amortisiert, aufgehen. Auch erschließen sich der Investorenlandschaft weder technologische Zukunftsentwicklungen noch Bedarfsrechnungen. Das Erscheinen von Deep Seek ließ schon viele Prognosen durch energie- und kapazitätssparende Innovationen wackeln. Nvidia verlor mit einem historischen Rekord in kurzer Zeit 600 Mrd. US-Dollar an Börsenwert.
Für PLATOW ist völlig offen, ob die zukünftigen Standortkriterien der Künstlichen Intelligenz heutigen Standortkriterien wie z. B. Börsennähe oder Ballungsraumnähe entsprechen. Möglicherweise werden die Verfügbarkeit regenerativer Energie in Küstennähe oder auch die Nähe zu einem Atomkraftwerk wichtigere Kriterien. Das aktuelle Standortranking wirft da schon Fragen auf. Da Bedarf, technologische Innovationszyklen und Lebenszyklen von Rechenzentren aus heutiger Sicht für die Immobilienwirtschaft nicht prognostizierbar sind, handelt es sich bei Rechenzentren um Investitionen, die ausschließlich aus der Bonität des Mieters bzw. Betreibers zu rechnen sind. Zwar ist die Bedarfsentwicklung recht sicher, das war aber auch bei Pflegeheimen so. Das änderte aber nichts daran, dass in den vergangenen Jahren eine Rekordzahl an Betreibern pleiteging und viele Mietverträge wackelten.
Gut gefüllte Pipeline
Zurück zu den Daten: Die Betriebskapazität der EMEA-Data Center beläuft sich laut C&W zum Ende der ersten Jahreshälfte 2025 auf 10,3 Gigawatt (GW). Das entspricht einem Anstieg um 21% innerhalb von zwölf Monaten. Darüber hinaus befinden sich 2,6 GW im Bau und 11,5 GW in Planung. Zusammengerechnet steigt die Pipeline somit auf 14,1 GW (+43%). Damit steigt die Gesamtkapazität der Data Center in der EMEA-Region in absehbarer Zeit auf 24,4 GW. Der Report bestätigt die anhaltende Dominanz der Märkte Frankfurt, London, Amsterdam, Paris und Dublin, zu denen nun auch Mailand hinzukommt. Diese insgesamt sechs „Powerhouse“-Märkte machten über 45% der Betriebskapazität und fast die Hälfte der Entwicklungspipeline der Region aus. London bleibt mit 2,87 GW bzw. 1.189 Megawatt (MW) in Betrieb und weiteren 1.678 MW in der Pipeline der größte Markt in EMEA. Danach folgen Frankfurt mit insgesamt 2,2 GW, Dublin mit 2,05 GW, Paris mit 1,43 GW und Lissabon mit 1,29 GW.
Trotz des dynamischen Wachstums beispielsweise in der Region Berlin bleibt der erweiterte Frankfurter Ballungsraum mit weitem Abstand die Nummer eins auf dem deutschen Markt. Mit insgesamt 2,2 GW in Betrieb, Bau und Planung macht Frankfurt mehr als zwei Drittel (72%) der Gesamtkapazität in ganz Deutschland (3,06 GW) aus. Equinix, NTT, Digital Realty und CyrusOne sind führend in Bezug auf die Betriebskapazität. Dagegen verfügen mehrere andere Akteure über starke Entwicklungspipelines, darunter CloudHQ. Der Markt wird jedoch zunehmend durch Einschränkungen bei Grundstücken, Strom und Regulierung verlangsamt. Das alles macht aus PLATOW-Sicht deutlich, in welch früher Phase sich der Markt befindet. Das erschwert die Bonitätseinschätzung der Betreiber.
Berlin gewinnt an Dynamik
Während die europäischen Kernmärkte weiterhin eine zentrale Rolle für die digitale Infrastruktur der Region spielen, verlagert sich das Wachstum zunehmend in aufstrebende und sich entwickelnde Standorte. Städte wie Oslo, Helsinki, Lissabon und Berlin gewinnen an Dynamik, unterstützt durch verbesserte Infrastruktur, Regulierungsreformen und steigende Nachfrage nach KI- und Cloud-Diensten. Auch der Nahe Osten und Afrika verzeichnen ein rasantes Wachstum, wobei Johannesburg, Abu Dhabi und Riad zu den am schnellsten wachsenden Märkten zählen. Laut Laura Shepherd, EMEA Data Centre Advisory bei Cushman & Wakefield, sind Nachhaltigkeit und Sicherheit prägende Merkmale. Die Betreiber müssen sich mit komplexen Planungsbedingungen, Grundstücks- und Stromengpässen sowie immer strengeren Umweltstandards auseinandersetzen. Trotz dieser Herausforderungen bleibe das Vertrauen der Investoren stark.