Immobilienbranche erwartet zweistellige Milliarden-Kosten
Der Hamburger Klima-Volksentscheid sorgt auch in der Immobilienwirtschaft für blankes Entsetzen. Führende Branchenvertreter warnen vor hohen Kosten und steigenden Mieten.

Der europäische Green Deal hatte bereits mit dem Dekarbonisierungsprozess den Deindustrialisierungsprozess in Deutschlands Kernkompetenzen messbar eingeläutet. Die Europäische Union hat sich Klimaneutralität als Ziel für 2050 gesetzt. Der Bund strebt Klimaneutralität bis 2045 an. Hamburg zieht jetzt um fünf Jahre auf 2040 vor. Schon 1944, am Höhepunkt des 2. Weltkrieges, wollte US-Finanzminister Henry Morgenthau Jr. Deutschland zu einem Agrarstaat ohne Rüstungs- und Schwerindustrie machen. Der Repression von gestern folgt heute die Transformation für morgen. Dem „Morgenthau-Plan“ kam nur das Ost-West-Zerwürfnis in die Quere. Auch hier lassen sich heute Parallelen finden. Zudem werden NGOs zu Machtfaktoren. Die Kreuzkröte verhindert aktuell in Berlin den Bau von über 2.000 Wohnungen auf dem stillgelegten Güterbahnhof Pankow-Heinersdorf, obwohl sie dort nach Stilllegung eher selber erst zugewandert war und dort sowieso wieder durch Baumbewuchs zum Aussterben verurteilt ist.
Hamburg macht mit dem „Hamburger Zukunftsentscheid“ vom Wochenende Schlagzahlen. „Wir haben jetzt das ehrgeizigste Klimaschutzgesetz Deutschlands“, jubelt Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne). Die Last daraus tragen aber wahrscheinlich diesmal nicht nur belastbare Gruppen, sondern alle von der Industrie über die Immobilien- und Wohnungswirtschaft und die privaten Zinshauseigentümer bis hin zum Mieter, denn ohne Mieterhöhung geht es nicht.
Wirtschaft warnt vor Unternehmensverlagerungen
SPD-Oberbürgermeister Peter Tschentscher sieht sich in der Umsetzungspflicht. Hamburg stürzt sich kompromisslos in die Einsparung von jährlich 13 Mio. Tonnen der geschätzten weltweit 41.000 Mio. Tonnen CO2. Der Vorsitzende des Industrieverbands Hamburg, Andreas Pfannenberg, rechnet vor: „Was wir an CO2 sparen, emittiert China in 46 Stunden“. Hamburg könnte damit zum Modell werden – in beide Richtungen.
Wirtschaft und Verbände schäumen, hören wir aus der Hansestadt. Norbert Aust, Präses der Handelskammer Hamburg, warnt, dass das Zieldatum 2040 vor allem den energieintensiven Betrieben zu viel abverlange. Dennis Thering, Fraktionsvorsitzender der CDU, erwartet Unternehmensverlagerungen und Arbeitsplatzabbau in der Hansestadt. Zudem seien massive Auswirkungen auf alle auch privaten Lebensbereiche zu erwarten. Insgesamt sehen die notwendigen Maßnahmen nach verschiedenen Quellen wohl Einschränkungen im motorisierten Individualverkehr, dem Durchgangsverkehr sowie dem Straßengüterverkehr vor. Geschwindigkeitsbeschränkungen mit flächendeckendem Tempo 30 müssten eingeführt werden. Fahrverbote für Verbrennerautos, mehr Ladeinfrastruktur, das Ende aller Gas- und Ölheizungen, Stilllegung von Teilen des Gasnetzes und Umstellung auf erneuerbare Wärmeversorgung, Investitionen in Speicherung, Wasserstofftechnologien und Sektorenkopplung von Strom, Wärme und Mobilität sind weitere Maßnahmen, die dann auch Monitoring und Steuerung unterliegen müssen.
„Kostspieliger Schnellschuss“
Die Immobilienwirtschaft schüttelt den Kopf. Die Gesamtkosten für die Immobilienwirtschaft und private Eigentümer von Zinshäusern liegen zwischen 40 Mrd. und 54 Mrd. Euro ohne Berücksichtigung von Preissteigerungen und Kapazitätsengpässen. Nach PLATOW-Erfahrungen ist Dämmung von heute sowieso oft Sondermüll von Morgen. „Das ist keine nachhaltige Klimapolitik, sondern ein kostspieliger Schnellschuss, der Vertrauen zerstört“, sagte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Unvermeidbare Mieterhöhungen durch die schnelle Transformation treffen weniger die gutverdienende städtische Elite, sondern die Mieter, die jeden Cent zweimal herumdrehen müssten.
Dem Gesetzentwurf der Initiative zufolge dürfen Kosten etwa für die energetische Sanierung von Wohnraum nur begrenzt an die Mieter weitergereicht werden. Vermieter wiederum sollen durch Förderprogramme entlastet werden. Wie nicht mehr kreditfähige Privatvermieter von Altersvorsorge-Zinshäusern und Wohnungseigentümergemeinschaften, die wohl ausnahmslos nicht über entsprechende Rücklagen verfügen, das stemmen sollen, bleibt schleierhaft.
Steigende Mieten
Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) erwartet durchschnittliche Kosten von 40.000 Euro pro Wohnung bzw. einen Investitionsbedarf von rd. 40 Mrd. Euro für alle Wohngebäude Hamburgs. Das bedeute Mieterhöhungen um 1 bis 1,50 Euro pro qm. PLATOW kommt schon in einfachen Überschlagsrechnungen bei 5% notwendiger Rendite auf höhere Beträge. Geld für den Neubau werde fehlen. Der Verband hält es für unrealistisch, dass die Stadt die Mehrkosten mit höherer Förderung ausgleichen kann. Zuvor war das Hannoveraner Pestel Institut in einer Studie zu dem Schluss gekommen, dass bis zum Jahr 2045 rund 54 Mrd. Euro in die Sanierung von rund 700.000 Wohnungen investiert werden müssten. Aus PLATOW-Sicht gilt aber auch hier die alte Regel, dass jedes politische Vorhaben irgendwann den Realitätscheck durchmachen muss. Andererseits war der Zukunftsentscheid eine demokratische Entscheidung, die Folgen des Transformationsprozesses im Labormaßstab in Hamburg zu testen.