ANALYSE

Neuer Zyklus beginnt – Wiederholen sich die klassischen Fehler?

In einem neuen Immobilien-Zyklus werden alte Fehler gerne wiederholt. Das kann teuer werden. Wir haben deshalb die häufigsten Fehlerquellen aufgedeckt.

Werner Rohmert,
Fernsehturm in Berlin mit Bürogebäude im Vordergrund
Fernsehturm in Berlin mit Bürogebäude im Vordergrund © AdobeStock

Der Immobilienmarkt steht am Beginn eines neuen Zyklus. Wir haben uns deshalb gemeinsam mit dem Fachmagazin „Der Immobilienbrief“ die klassischen Fehlerquellen eines Zyklus noch einmal genau angeschaut, die der Finanzbranche Hinweise geben könnten, in welche Phase ein Zyklus einschwenkt. Sicherlich ist es zu Beginn einer neuen Tour oft sinnvoller, nicht ständig in den Rückspiegel zu schauen und stattdessen Fernlicht anzumachen. Allerdings kann Fernlicht auch blenden oder die vorausliegende Senke mit dem entgegenkommenden Bus überblenden. Das wäre alles nicht so schlimm, wenn die Immobilienbranche klassische Fehler mit ihrem eigenen Kapital wiederholen würde, aber nach unserer Erfahrung wird dabei in der Regel Other People’s Money versenkt. Den „Teufel im Detail“ kennen die Branchenmatadore besser als PLATOW. Aber dann sind die großen, sich in zyklischen Phasen immer wiederholenden Fehler meist schon gemacht.

Allem voran erweisen sich die Grundgedanken „diesmal ist es anders“ oder „Softlanding ist wahrscheinlich“ oder „die Zinsen können gar nicht mehr steigen (oder fallen)“ als besonders teure Vermutungen. Das ist aber nicht immobilienspezifisch. Die Summe der großen, ungeschickten Fehler, die man in der Immobilienwirtschaft oder Projektentwicklung anstellen kann, passt auf ein DIN A4-Blatt. Der Kehrwert der großen Fehler ist dann das grundlegende Immobilien-Know-how, das dementsprechend auch auf eine Seite passt. PLATOW beschränkt sich hier auf Büro. Die Ungeschicklichkeits-Treiber bei Wohnen, Healthcare, Handel oder Logistik überschneiden sich nur teilweise. Exogene Sonderentwicklungen und klassischer Zyklusverlauf führen regelmäßig dazu, dass die Branche und die Finanzierer diese eine Seite Know-how schreddern.

Tücken der Non-Recourse-Finanzierungen

Einiges ist auch unvermeidbar. Non-Recourse-Finanzierungen, die seit der Jahrtausendwende auch in Deutschland die persönliche Haftung der Matadore ablösten, haben nun einmal rein mathematisch Preis- und Risikowirkungen. Sie schneiden den unteren Ast der Wahrscheinlichkeitsfunktion für den Investor ab. Damit erhöht sich der maximal für ein Asset zu zahlende Preis als Erwartungswert der wahrscheinlichen Investitionsergebnisse um den negativen Ausgang, den die Finanzierer übernehmen. Das hat zur Folge, dass ein weit höherer Preis rechenbar ist, da ja der negative Ausgang sozialisiert wird. In Verbindung mit Nachrangfinanzierung gewinnt das besonderen Wert, die dann fast immer komplett à fonds perdu sind.

Wenn die Branche dann im Zuge der Nullzinsphase, die es in 5000 Jahren nicht gab, oder einer Sonder-AfA-Phase wie in der Vereinigungseuphorie oder eines Internet-/Technologie-Hypes diese eine Seite Know-how über Bord wirft, darf man sich nicht wundern, dass die Rationalitätswende neue Lehren erteilt. Chancen für die Branche gibt es trotzdem. Wenn die Ausnahmephase wie das Generationen-Zinsgeschenk lange genug dauert und man sich auf „wenn die Zinsen unten bleiben“ verlässt, kann man reich werden. Auf jede rationale Phase folgt irgendwann wieder eine irre Phase. Wenn es gelingt, bis dahin durchzuhalten, geht es trotzdem noch auf.  Außerdem: Keine Fehler machen, heißt „nichts machen“. Immobilien werden immer mit den Erfahrungen von gestern und mit dem Know-how von heute für Käufer von heute, aber für Nutzer von morgen gebaut. Erfolg hat nur die Immobilie von morgen. Das kostet Flexibilität, an der aber oft gespart wird.

Immobilien mit Verfallsdatum

Blicken wir auf die einzelnen Fehlerquellen: „Teure Immobilien auf billige Grundstücke bauen“ ist eine von PLATOW schon in den 90ern monierte, alte Fehlerquelle bei Bauträgern, die zu Immobilien mit Verfallsdatum führt. Argument ist, den Standortnachteil durch Effizienz und Qualität auszugleichen. Ergebnis sind dann meist Single-Tenant-Luxusbauten in der Ballungsraum-Prärie, die Mitarbeitern effizientes Arbeiten ermöglichen sollen. Dem Mietkosten-Exodus folgt regelmäßig die Rückkehr ins Zentrum, wie jüngst die KPMG-Umzugspläne vom Frankfurter Flughafen in die Innenstadt gezeigt haben. Mieten sind billiger als Mitarbeiter. Oder Homeoffice schlägt zu. Hinzu kommt, Bürostädte atmen zyklisch. Wenn es teuer und knapp wird, geht es nach draußen – und umgekehrt. Genehmigungsimmobilien, die da gebaut werden, wo sie genehmigt werden, statt, wo sie gebraucht werden, fallen auch in diese Kategorie.

Ein gerne gemachter Fehler ist es, Immobilieneinkäufer nach „Erfolg“ zu honorieren. Der am Ende schlechteste Einkäufer war am Anfang oft der „erfolgreichste“. Beim späteren Exit zeigen sich erst die Qualitäten des Dauer-Nörglers, der alle möglichen Risiken durchdenkt. Das gilt übrigens auch für verprovisionierte  „Finanzierungs-Verkäufer“, die faktisch Asset-Einkäufer werden. Herausragend ungeschickt ist die vorlaufende Auszahlung der Baukosten an mittelständische Bauträger oder Projektentwickler, um Kosten der Risikoabsicherung  zu sparen. Wenn der Wind dreht, sind Developer/Bauträger die ersten, die kentern. In der Nachbearbeitung stellt sich oft heraus, dass das Geld woanders „zwischeninvestiert“ worden ist.

Ähnlich verhängnisvoll ist auch der Glaube, besser zu sein als andere. Mit Mezzanine kann man da Kredit geben, wo andere aussteigen. Die Pensionäre des Versorgungswerks der Landesärztekammer Hessen schauen wohl gerade dreistelligen Millionen hinterher. Immobilien-Mittelstandsanleihen sind fast nie fristenkongruent zum Asset. Eine Änderung des Zins- oder Risikoumfeldes unterbricht  die geplanten Anleihekaskaden. Ersatz des Researchs durch Glaube oder Investitionsdruck ist auch beliebt. Gerne wird die Mieter-Bonitätsprüfung durch Wachstumsstories für Start-ups oder aktuelle Nischen wie Flex Office überspielt. Hohe Incentives locken oft Mietzahlungs-Luschen mit eingeschränkter Liquidität. Die früher mit Incentives beabsichtigte Realmiettäuschung sollte heute eigentlich nicht mehr klappen. Andererseits spiegeln auch heute die Ankaufsrenditen oder Multiplikatoren die durch Incentives getunte Ist-Miete.

Vorsicht Hightech-Falle

In Hype-Phasen besonders beliebt ist das Schönrechnen von Grundstücken oder von Opportunities bzw. Value-add-Immobilien, um überhaupt noch etwas machen zu können. Da wird an Zukunftsmieten, Renditekompressions-Multiplikatoren oder Kosten so lange geschraubt, bis es sich rechnet. Oder der Investor glaubt an seine Professionalität, besser zu sein als andere, die die Chancen nicht sehen. Allerdings gilt auch, wie die Fondswirtschaft in der Sonder-AfA-Phase – und PLATOW befürchtet, auch in der Nullzins-Phase – bewiesen hat, dass „der Weg das Ziel ist“. Man kann mit Other People’s Money oder Bankenhilfe ein paar Jahre gut leben. Wenn es aufgeht, ist man King. Wenn es schiefgeht, war es ja schließlich eine „unternehmerische Beteiligung“. Unterwegs konnte oft „genug beiseitegeschafft“ werden. Es gilt immer: Grundstücke haben keinen eigenen Wert, sondern sind Residualgröße dessen, was man damit machen kann, abzüglich aller möglichen Kosten.

Bei Hightech-Büroimmobilien wechseln sich Wertschöpfungsphasen des Baus und der Sanierung mit dazwischenliegenden 20 bis 30 Jahren der Wertvernichtung ab. In der Wertvernichtungsphase retten nur „Renditekompressionen“ durch Zinssenkung, Mietindexierung, Marktmieterhöhung oder „Fair Value“-Bewertung das Wohlbefinden des Investors. Die Rendite dekomprimiert aber wieder. Finanzmathematik ist für alle da. Nur Beton und Grund bleiben. Hightech ist morgen schon von gestern. Je mehr davon drinsteckt, desto größer die Vermögensvernichtung. Fair Value schlägt zurück und kann den Einstieg in Agonie bedeuten. Im zweiten Vermietungszyklus holt die neue Marktmiete für gebrauchte Alt-Landmarks den indexverwöhnten Vermieter ein. Dämmung und IT-Hightech sind dann schon auf dem Weg zum Sondermüll. 90% Vermietung ist Vollvermietung. Miete und Werte verschwinden. Es sei denn, man hat das zyklische Glück eines zuletzt aufgestandenen Langschläfer-Dummen, der dann noch „Wertsteigerung“ kauft. Aber manchmal, aber nur manchmal, ändert sich die Welt. Früher waren Behördenbauten ein Nogo: zu primitiv, zu abgenutzt bei Rückgabe, zu miese Lage und MwSt-Problematik. Heute ist uns für unsere steuerfinanzierten Mitbürger das Beste gerade gut genug.

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