Private bauen wieder – Institutionelle zögern
Klar positiv sieht Empira-Researchchef Steffen Metzner die langfristigen Perspektiven für den Wohnungsmarkt. Warum der Funken noch nicht auf die Institutionellen übergesprungen ist.

Im PLATOW-Gespräch mit Steffen Metzner, langjähriger Head of Research der Empira Group, bestätigt sich unsere alte These, dass im Wohnungsgeschäft klar zwischen Eigennutzerimmobilien oder auch kleiner privater Kapitalanlage mit hohem emotionalem Wert und „Mathematik“-Immobilien der institutionellen Anleger unterschieden werden muss. Institutionelle Anlagen folgen den Gesetzen der Finanzmathematik und der Renditeerwartungen. Hier hängen die Bewertungen sehr eng von der Zinssituation mit Blick auf die Finanzierung und Alternativanlagen ab. Daraus resultiert eine höhere Volatilität als bei eher fundamental orientierten Privatkäufern. Angesichts der ESG-Risiken drehe sich das Interesse Institutioneller auf Neubau, so Metzner. Aktuell belebe sich das Wohnungsgeschäft aber vor allem durch die privaten Eigennutzer und Kleinanleger. Die hätten sich inzwischen an das aktuelle, historisch aber immer noch niedrige Zinsniveau gewöhnt bzw. ihr Anspruchsniveau angepasst. Sie erfüllten sich jetzt wieder ihren Lebenstraum von den eigenen vier Wänden.
Beim Blick in die Zukunft sei die langfristige Perspektive von kurzfristigen Verwerfungen zu trennen, so Metzner. In den 90er-Jahren ist es mit einer Priorisierung der Wohnungsproblematik in den neuen Ländern durch das Fördergebietsgesetz gelungen, innerhalb von nur fünf Jahren einen quantitativ und qualitativ desaströsen Wohnungsbestand in ein Überangebot zu verwandeln. Das wird heute wohl nicht mehr möglich sein. In einer nächsten Phase nach der Jahrtausendwende trennten sich fast alle institutionellen Anleger, Kommunen und Unternehmen im Osten wie im Westen mangels Rechenbarkeit, hohen Leerständen, hohem Managementaufwand, Sanierungsherausforderungen und starker Regulierung von ihren Wohnungsbeständen. Seit etwa 2005 und insbesondere seit der Finanzkrise mit folgender Nullzinsphase und Erholung der Mietmärkte explodierten die Werte mit einer lockeren Verdreifachung, wie sich aus den Bilanzen errechnen lässt. In den vergangenen Jahren seit der erneuten Zinswende 2022/23 ging es wieder in die andere Richtung.
Positive Langfristperspektive
Heute seien die langfristigen Perspektiven eindeutig positiv, aber noch sei der Markt gespalten, so Metzner. Die generelle und in den Top 7-Städten extreme Knappheit werde mit oder ohne Bau-Turbo vorerst bleiben. Baugenehmigungen und zeitverzögert die Fertigstellungen im Geschosswohnungsbau würden weiter sinken. In den nächsten zwei Jahren seien kaum nennenswerte Fertigstellungen zu erwarten. Im Basismarkt der privaten Hausbauer und selbstgenutzten Eigentumswohnungen seien die Käufer aber zurückgekommen. Wie von PLATOW bereits mehrfach angemerkt, mussten sich die privaten Käufer, deren Anspruchsniveau auf Zinssätze mit einer „1“ vorne beruhte, erst einmal an eine „3“ oder sogar „4“ gewöhnen. Dies bedeutete oft auch, mehr Eigenkapital anzusparen oder Ansprüche anzupassen. Das sei jetzt geschehen. Die Preisstatistiken zeigen im Neubau wieder steigende Preise. Die Statistiken zeigen allerdings nicht, dass oft aus dem 120 qm-Wunsch eine 90 qm-Realität geworden ist.
Anders sehe es noch bei Institutionellen aus. De facto verhielten sich die institutionellen Anleger immer noch abwartend. Die Preisfindung sei noch nicht endgültig abgeschlossen. Nach wie vor sei mit Notverkäufen zu rechnen. Die großen Portfoliodeals der Maklerstatistiken beruhen bisher meist noch auf Sondersituationen oder Portfoliobereinigungen. So hat sich Vonovia im Januar vom Pflegeheimgeschäft getrennt. Das ging in die Statistik ein.
Regulierungsdichte bleibt hoch
Aktuell seien die Zinsen entweder aus Sicht einer Finanzierung oder auch aus Alternativanlagegesichtspunkten zu hoch. Entweder müssen die Zinsen runter oder die Bewertungsrenditen steigen (also die Multiplikatoren runter). Die Mieten zeigen zwar gerade in den Großstädten einen Aufwärtstrend, werden aber auch von der neuen Regierungskoalition, wie gerade noch einmal bestätigt, vielfältig (über)reguliert. Die Faktoren für mittlere Wohnungsqualitäten würden sich bei Faktor 20 einspielen. Gute Bestände ohne energetische Themen und in Wachstumsregionen gelegen können davon natürlich abweichen.
In der Diskussion um Wohnungsknappheit in den Metropolen gehe weiter unter, dass in Deutschland zwei Millionen Wohnungen leer stehen. „Lage, Lage, Lage“ sei nicht mehr das alleinige Erfolgskriterium Die energetische Sanierungsnotwendigkeit hänge als Damoklesschwert über älteren Beständen. Bei gebremsten Mieten oder auf dem flachen Land mit sowieso niedrigen Mieten und spürbaren Leerständen sei eine energetische Sanierung oft nicht wirtschaftlich. Zwar sieht Metzner anders als bei Gewerbe, bei dem nach dem Vorbild anderer Länder sogar ein Vermietungsverbot drohe, keine rechtliche Untersagung der Nutzung bei energetisch schlechten Wohnungen. Aber man wisse es nicht.
Empira setzt auf „Build to Rent“
Institutionelle Anleger, bei denen die ESG-Berichterstattung Standard ist, müssten schärfere Gesetzgebungen nun einmal einkalkulieren. Daher gehe der Trend bei Investoren zu neueren Beständen. Empira verfolge hierbei die Strategie „Build to Rent“. Die Qualitätsansprüche seien optimal umsetzbar, wenn man selber baue und dann halte. Das bestätigte übrigens Klaus Franken von Catella Project Management, der am Freitag mit dem Neubau von 800 Wohnungen in Erkrath startet, gleichfalls als eigene Strategie. Das reine Projektentwicklungsgeschäft mit schnellem Exit müsse überdacht werden.
Für Metzner kann aber generell mit Blick auf Angebot und Nachfrage wenig schiefgehen. Die Zuwanderung werde bleiben und das Geburtendefizit weiterhin übersteigen. Viele aufgenommene Ukrainer würden in Deutschland bleiben. Perspektivisch würden Künstliche Intelligenz und neue Remote-Arbeitsformen, die deutlich über Homeoffice hinausgehen, den Wohnungsmarkt positiv beeinflussen. Die Nachfrage nach Wohnraum bleibe damit auf hohem Niveau.
Stabilisierender Basismarkt als Kaufsignal
Auf der Angebotsseite sei der Effekt eher noch klarer. Statt 400.000 Wohnungen werden nur 200.000 bis 220.000 gebaut werden. In Ballungsräumen sind Grundstücke knapp und der Bau teuer. Der Bau-Turbo und die vorgesehen Mittel des Sondervermögens Infrastruktur reichten nicht aus zur Lösung des Problems. Die Regulierungsminderung sei eher schwammig gehalten und müsse länderspezifische und regionale Hürden überwinden. Die Programme zur Reparatur der Infrastruktur würden zu einem Wettbewerb um Baukapazitäten führen. Mietsteigerungen würden insbesondere in gefragten Metropolen anhalten.
Im Fazit sieht Metzner den institutionellen Markt eher noch ruhig. Der sich stabilisierende Basismarkt sei aber ein Kaufsignal. Wer jetzt kaufe, erwerbe entweder problemarme Bestände oder könne Erneuerungsbedarf im Preis einkalkulieren. Die Zeit schnellen Durchhandelns sei für die kommenden Jahre vorbei. In der Dekaden-Planung fällt Metzner aber kaum ein Investment mit besseren Perspektiven ein. Nicht der Zins mache die Immobilie wertvoll, sondern der Nutzer.