Systemfehler bei Offenen Immobilienfonds?
Ein Gutachten für die NGO Finanzwende, das von Stefan Loipfinger erstellt wurde, sieht auch heute wieder systematische Risiken und die plakativ formulierte Gefahr von „Domino-Effekten“ bei Offenen Immobilienfonds (OIF). Loipfinger wies schon vor 20 Jahren, damals noch in Verbindung mit PLATOW, frühzeitig auf die Bewertungsprobleme von Offenen Immobilienfonds und deren manchmal sportliche Praxis der Einwertungsgewinne hin. Zur Erinnerung: Mit Einwertungsgewinnen wurden um die Jahrtausendwende die in einem transparenten Markt gerade eingekauften Immobilien manchmal direkt 2-stellig hochgewertet, meist, um die Erwerbsnebenkosten dynamisch investierender Fonds auszugleichen. Damals geriet dadurch Bewegung in die Szene. Wir wiesen auf die Loipfinger-Skepsis bereits hin (PLATOW Immobilien v. 19.12.2024). PLATOW selber bleibt aber heute aufgrund der wohl überwiegend konservativen Bewertungspraxis der Fondsmanager eher locker.
Allerdings bringt Loipfinger mit Blick auf konservative Bewertungen den Aspekt ins Spiel, dass so den Anlegern in der Vergangenheit Marktgewinne vorenthalten worden seien. Darüber muss man zumindest nachdenken. Jedoch haben die meisten Fondsgesellschaften das Ziel, wie von Union Investment offiziell erklärt, möglichst keine Schwankungen auszuweisen. Den Anlegern werden die Fonds schließlich als weitgehend risikolos verkauft. Bei der spätestens jetzt nachgewiesenen hohen Volatilität bei Büro und Einzelhandel und der systemimmanenten Fristeninkongruenz müsste wohl über die Risikoklasse auch aus PLATOW-Sicht nachgedacht werden. Auch der erfahrene Gutachter und PLATOW-Juror Karl-Georg Loritz weist regelmäßig darauf hin, dass auch die verlängerten Rückgabefristen nicht ausreichen, in schwierigem Marktumfeld die Risiken fehlender Fristenkongruenz auszugleichen. Auch wenn PLATOW selbst recht locker bleibt und sich vielleicht gerade jetzt Opportunities für günstigen Einkauf auftuen, sind die Argumente des Gutachtens nicht von der Hand zu weisen. Der Exodus der Anleger geht zumindest weiter.
Laut Gutachten haben Privatanleger insgesamt 125 Mrd. Euro in Offene Immobilienfonds investiert. Viele sähen das als sehr sichere Anlageform zur Ergänzung ihrer Altersvorsorge, so Loipfinger. Die vier größten Anbieter Deka, Union, Commerz Real und DWS verwalten 85% des Anlagevermögens. Die zehn größten Publikumsfonds decken mehr als 80% des Gesamtmarktes ab. Statt den Kauf von Fondsanteilen mit meist niedrigeren Kursen über die Börsen und Handelsplätze zu empfehlen, werde von Banken und Sparkassen trotz des oft deutlich höheren Preises zu einem Kauf über die Fondsgesellschaften geraten. Für den Zeitraum vom 1.10.2021 bis 31.3.2024 seien bei den zehn größten Fonds Anteile im Wert von 11,4 Mrd. Euro über die jeweilige Fondsgesellschaft verkauft worden. Aus der Kursdifferenz errechnet Loipfinger je nach Prämisse auf jeden Fall eine Milliarden-Differenz gegenüber Börse und Zweitmarkt. Das entspräche nicht Best-Execution-Policy. Hinzu käme, dass die untersuchten Top 10 in den vergangenen beiden Geschäftsjahren ihre Immobilien in Summe gegen den Markt um 1,6 Mrd. Euro aufgewertet hätten. Wie von PLATOW regelmäßig berichtet, schmierten die Märkte von z. B. Prime Office-Renditeimmobilien im Zuge der Zinswende brutal um 30% und bei älteren Objekten auch deutlich mehr ab. Loipfinger schließt daraus, dass die Immobilienportfolios zu hoch bewertet seien und in den OIF erhebliche Abwertungsrisiken schlummern. Union und KanAm haben aus PLATOW-Sicht korrekt zum Teil deutliche Abwertungen vorgenommen.
Aufgrund der Bewertungsrisiken, lange nachlaufenden Abwertungen nach der Finanzkrise und damaligen Fondsschließungen sowie einer unzureichenden Berücksichtigung der oft zweistellig zulegenden Bewertungen im letzten Zyklus schließt Loipfinger, dass Offene Immobilienfonds gänzlich ungeeignet seien, um bei einer eigentlich korrekten Markterwartung bei steigenden Immobilienpreisen zu profitieren. Gleichzeitig würden OIF trotz der Marktrisiken nicht einmal die Renditen von Staatsanleihen erreichen. Grund seien, so Loipfinger, auch die hohen Kostenbelastungen, die fast drei Viertel der Renditeprognosen ausmachten. Das habe zudem einen Hebeleffekt zu Lasten der Anleger, die die Ertragsschwankungen tragen müssten.
PLATOW-Fazit: Hinsichtlich eines Domino-Effekts teilen wir die Befürchtungen trotz Mittelabflüssen nicht. So lange der Cashflow aus Mieten kommt, spielen sich etwaige Bewertungsrisiken nicht in der Liquidität bzw. in Verkaufszwängen ab. So lange das System geschlossen bleibt, passiert hier ebenso wie bei den überbewerteten Immo-AGs nichts. Schnelle Insolvenzrisiken sieht PLATOW woanders. Hinsichtlich einer Kaufempfehlung, bei der sich PLATOW in den letzten beiden Jahren schwertat, müssten jetzt die Chancen günstigen Einkaufs mit den Risiken scheibchenweiser Bewertungskorrekturen über mehrere Jahre abgeglichen werden.