Wohnungskonzern

Vonovia-Chef Buch feiert Doppeljubiläum zum Abschied

10 Jahre nach der Umbenennung in Vonovia und dem Aufstieg in den DAX verlässt Vorstandschef Rolf Buch zum Jahresende Deutschlands größten Wohnungskonzern. Eine Bilanz.

Werner Rohmert,
Rolf Buch
Rolf Buch © Vonovia.de

Der zum Jahresende aus dem Amt scheidende Vonovia-Chef Rolf Buch hat die noch vor 15 Jahren als verschlafen geltende deutsche Wohnungsimmobilienwirtschaft auf ein neues Niveau gehoben. Zum Abschied kann Buch aber noch ein Doppeljubiläum feiern. Vor 10 Jahren erfolgte die Umbenennung des Vorgängerunternehmens Deutsche Annington in Vonovia und im September 2015 stieg das Unternehmen in den DAX auf. Strikte Effizienz- und Kostenorientierung, eigene, durchoptimierte Handwerkerkolonnen, Ausnutzen von Skaleneffekten und Konzentration der Bestände waren Buchs 2013 im ersten PLATOW-Gespräch vorgestellten Ziele. Schmunzelnd meinte Buch damals, er habe als Arvato-Chef Zehntausende Mitarbeiter und Dutzende Geschäftsbereiche geführt. Heute (2013) führe er ein Ein-Produkt-Unternehmen mit 2.000 Mitarbeitern, das 97% seiner Umsätze der kommenden Jahre schon mit Namen kennt. Das sei für ihn beherrschbar. Schlüsselfaktor des Erfolgs seien Skaleneffekte und Kosten-Effizienz. Er könne sich vorstellen, auch 1 Mio. Wohnungen zu managen.

Das hat Buch nicht ganz geschafft. Aber die Bilanz kann sich sehen lassen. In den vergangenen zehn Jahren hat Vonovia den eigenen Wohnungsbestand von rund 180.000 auf über 530.000 Wohneinheiten ausgebaut. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von 1.500 auf 12.400. Heute bewirtschaftet Vonovia mehr als 600.000 Wohnungen in Deutschland, Österreich und Schweden und ist Europas führendes Wohnungsunternehmen. Vonovia konnte die Bewirtschaftungskosten pro Wohnung um mehr als 60% reduzieren. Das Unternehmen entwickelte sich in nur einem Jahrzehnt von einem regionalen Vermieter zu einem der bedeutendsten Gestalter auf dem europäischen Immobilienmarkt. Ein Meilenstein in der Unternehmensgeschichte war 2015, nur zwei Jahre nach dem Börsengang, der Aufstieg in den DAX. Damit war Vonovia das erste Wohnungsunternehmen im wichtigsten deutschen Aktienindex.

Erfolgsstory mit Schattenseiten

Die sicherlich vom Zinsglück begleitete Erfolgsstory hatte auch Schattenseiten. Die Bewertungen liefen in der Hype-Phase bis einschließlich der Bilanz 2022 noch nach der Zinswende der positiven Zukunft deutlich voran und führten nach mit der Börsenbewertung übereinstimmender PLATOW-Kritik auf Basis immobilienwirtschaftlicher Eckdaten zu einer deutlichen Bewertungskorrektur. Ohne den ungemein kompetenten und sympathischen Auftritt von Buch und seiner perfektionierten Verbands- und Politik-Arbeit hätte das durchaus zu Fragen führen können. Es ging gut. Für Buch zeigt die Entwicklung, dass Vonovia mit der Strategie den richtigen Kurs gewählt habe. Vonovia habe mit den rasanten Entwicklungen Schritt gehalten und wichtige Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen.

Für die Zukunft habe sich Vonovia vorgenommen, weiterhin innovative und nachhaltige Lösungen für das Wohnen von morgen zu entwickeln. Zu den neuen Geschäftsfeldern zählen unter anderem eigene Handwerksdienstleistungen für Modernisierung und Instandhaltung, das eigene Development-Geschäft, der Ausbau digitaler Serviceangebote sowie innovative Lösungen im Bereich Energieversorgung. Vonovia hat einen verbindlichen Klimapfad festgelegt. Seit 2015 wurden mehr als 10 Mrd. Euro in die eigenen Quartiere und den Neubau investiert.

Kraftakt Bewertungskorrektur

Hinsichtlich der Bewertung bleiben für PLATOW noch prinzipielle immobilienwirtschaftliche Fragen offen. Letztlich wecken „Fair Value“-Bewertungen Erwartungen. Andererseits dürfte auch jedes Produktionsunternehmen nicht realisierbare Werte in der Bilanz haben. Industrieerfahrung führt da zu Lockerheit. Dennoch hat Buch in einem Bilanzkraftakt die Bewertung des deutschen, zumindest 2022 zu über 70% unsanierten Wohnungsbestandes, von der 29-fachen Jahresmiete Richtung 24-fache und nach Mieterhöhungen vielleicht sogar 23-fache Jahresmiete zurückgeführt. Der Vonovia-Bestand hat sich über Jahrzehnte aus vielen (Werks-)Wohnungsbeständen, für deren Qualität die damalige Deutsche Annington oft durch die Presse ging, entwickelt.

Den perfekt gemanagten Kraftakt der Bewertungskorrektur hat der Vonovia-Aktienkurs aus PLATOW-Sicht gut überstanden. Jedoch sehen erfahrene Marktspezialisten in PLATOW-Backgroundgesprächen für den unsanierten Bestand eher den Faktor 14 bis 16 als realistisch an. PLATOW ging vor drei Jahren noch von 18-fach bzw. rund einem Drittel Bilanzluft aus. Laut einer aktuellen Engel & Völkers-Recherche werden B-Städte wie Dortmund mit Multiplikatoren von 14 bis 17 und Essen mit 15 bis 17,5 bewertet. Zwischen 17-fach und 23-fach ist immer noch ein Drittel Luft. Die Absolutwerte dürften sich durch Mieterhöhungen aber angeglichen haben. Und aus Analystensicht liegen international anerkannte, kompetente Bewertungen vor, die Ende 2022 noch 29-fach für realistisch hielten.

Buch übergibt ein bestelltes Haus

Andererseits berichten alle Researchhäuser, meist ohne Unterscheidung von privaten Einzelwohnungen zu rein ertragsabhängigen „Mathematik“-Portfolios, von einer seit fünf Quartalen anhaltenden Erholung des Wohnimmobilienmarktes. Wenn alle Stakeholder von den professionellen 2022er-Bewertern über die Wirtschaftsprüfer, Aktionäre, Anlegerschützer, Presse, Beschäftigte und Vorstand die Füße stillhalten, sind nicht nur Vonovia, sondern auch andere Wohnimmobilien-Bestands-AGs bei beginnender Positivstimmung in „trockenen Tüchern“.

Große Risiken sind dann auch aus PLATOW-Sicht nicht mehr zu sehen. Die Miete kommt wie ein Uhrwerk. Mieterhöhungspotenziale gibt es auch. Die Liquidität ist auf Jahre sicher. Der Zinstrend zeigt eher nach unten. Das Management ist, auch wenn Buch zum Jahresende aussteigt, top. Der Bestand ist im Möglichkeitsrahmen gepflegt. Behörden haben kein Interesse mehr an Bewertungsdiskussionen. Blendet man die rein subjektive und weder markt- noch liquiditätsrelevante Bewertungsfrage aus, könnte auch Heißluft zum erneuten Höhenflug der Kurse führen.

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