PLATOW-Gespräch

Warum Pflegeimmobilien in der Krise stecken

Im PLATOW-Gespräch erklärt Stella Vitalis-Chef Axel Hölzer, warum Pflegeimmobilien trotz einer alternden Gesellschaft in der Krise stecken und welche Auswege es gibt.

Werner Rohmert,
Leere Brieftasche
Leere Brieftasche © photobyphotoboy

Widersprüchliche Trends markieren den Pflegeimmobilienmarkt. Der demografische Wandel deutet auf einen riesigen Bedarf hin. Gleichzeitig kam es in den vergangenen Jahren zu mehreren Pleiten prominenter Pflegeheimbetreiber. Der Immobilienzentralverband ZIA beschreibt den Bedarf. Wir haben uns im PLATOW-Gespräch mit Axel Hölzer, Geschäftsführer von Stella Vitalis und Casa Mia, über die aktuell schwierigen Zeiten und deren Gründe unterhalten. Die Gesellschaften managen 24 Pflegeeinrichtungen mit 2.171 Betten und beschäftigen 2.051 Mitarbeiter.

Aktuell warnt ZIA-Präsidentin Iris Schöberl vor einer gravierenden Unterversorgung mit Pflegeeinrichtungen. Mit dem Ausscheiden der Babyboomer-Generation würden innerhalb der nächsten 15 Jahre rund 13,4 Mio. Erwerbspersonen bzw. knapp ein Drittel aller aktuell Erwerbstätigen das gesetzliche Renteneintrittsalter überschreiten. Das führe zu einem kontinuierlichen Anstieg der Zahl pflegebedürftiger Menschen. Der Neubau klassischer Pflegeheime stagniere seit Jahren. Allein im Jahr 2023 sei die Zahl der verfügbaren Pflegeplätze um rund 3.300 gesunken. Schöberl weist auf Prognosen hin, denen zufolge bis zum Jahr 2040 rund 2 Mio. altersgerechte Wohneinheiten fehlen würden. Gleichzeitig sei der Zustand bestehender Pflegeeinrichtungen besorgniserregend. Rund 50% der Pflegeimmobilien in Deutschland seien strukturell und energetisch veraltet.

Tücken des Refinanzierungsmodells

Mit Hölzer haben wir uns über den Widerspruch zwischen demografischem Bedarf und ökonomischer Situation unterhalten. Hölzer hat seit 30 Jahren im Pflegemarkt Unternehmen verantwortlich geleitet und zählt zu den führenden Experten. Wir sprachen über 1.200 Insolvenzen in den vergangenen zwei Jahren. Für Hölzer liegen die Ursachen im Refinanzierungsmodell der Pflege.  Die Wirtschaftlichkeit sei erst bei einer Belegung von mehr als 90% sichergestellt. Trotz der enorm hohen Nachfrage sei aber aufgrund der Angebotslücke bei Fachkräften und den langen Anerkennungszeiten für ausländische Fachkräfte eine solche Auslastung nicht möglich. Bei unzureichendem und streng überwachtem Personalschlüssel dürfen Betten nicht belegt werden. Die Schließung der Lücke mit Leiharbeitskräften sei wirtschaftlicher Selbstmord, da die Kosten von ca. 13.000 Euro pro Person je Monat ca. 2,5 mal so hoch sind wie bei einer normal vergüteten Fachkraft.

Auch die übrigen steigenden Kosten liefen zudem den Erträgen voraus. Die Kommunen würden durch die notwendigen Zahlungen für Sozialhilfe und die Betroffenen sowie ihre Familien über die stark gestiegenen Eigenanteile zunehmend vor große Herausforderungen gestellt. Ein weiters hausgemachtes Problem sei die bundesweit nahezu flächendeckende Umstellung von Doppelzimmer auf Einzelzimmerkonzepte. Dies habe die Gestehungskosten pro Bett in den vergangenen zehn Jahren auf 177.000 Euro je Bett anwachsen lassen.

Pflegekassen vor 12 Mrd. Euro-Loch

Den Pflegkassen fehlten in den nächsten Jahren 12 Mrd. Euro bei steigender Zahl an Senioren. Für die Aufrechterhaltung des heutigen Systems müssten die Einnahmen des Staates gesteigert, die Kosten für Einzel- und Doppelzimmermodelle ebenso wie die Anforderungen an die Gebäude hinterfragt und die Möglichkeiten analysiert werden, heutige Pflegepersonal-Tätigkeiten durch KI-Tools zu ersetzen.

Mit Blick auf Lösungen durch private Investitionen z. B. durch Private Equity weist Hölzer darauf hin, dass Investitionen nur dann aufgehen, wenn das notwendige Management Know-how für diese Immobilien und ihre Refinanzierungsbedingungen beherrscht wird. Betreiber-Know-How müsse durch Partner oder im Eigenbetrieb abgesichert sein. Neubau sei nur möglich, wenn die Immobilienkosten über die erstatteten Investitionskosten vollumfänglich refinanziert werden können.

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