Wohnimmobilien – Sind die Bewertungen schon auf Marktniveau?

Die Entscheidung des Bundestags vom Dienstag zum schwarz-roten Schuldenpaket schickt 35 Mrd. Euro in den Wohnungsbau. Das stimuliert die Zukunft. Heute erinnern Bestandsbewertungen von Fonds oder Immobilien-AGs oft noch an den alten Ehe-Scherz „Glaubst Du mir oder Deinen Augen, Schatz?“ Das hieße dann übersetzt: „Glauben Sie unseren Bilanzen oder den Marktdaten?“ Die Praxis zeigt, dass viele Analysten die „Fair Value“-Bilanzbewertungen nach oben und nach unten als harte Fakten akzeptieren. Das galt für die Dekade der Hochbewertungen ebenso wie die im Anschluss an die Zinswende notwendige Bilanzkorrektur. Die Abweichung von Bilanzdaten zu normalen Marktwerten, geschweige denn zu Zerschlagungswerten hatte auch nach altem deutschen HGB-Bewertungsrecht Tradition. Die Buchwerte relativ wenig abgeschriebener Unternehmensimmobilien waren nie marktorientiert.
Das Fair Value-Prinzip sollte das „marktgerecht“ ändern, scheint aber auch oft zum Instrument der Bilanzpolitik geworden zu sein. Bedenken Sie: Sofern der Kapitalmarkt nicht beeinflusst wird, ist die Bewertung zunächst einmal vor allem eine Gerechtigkeitsfrage. Wer Bewertungsgewinne ausweist, muss auch Verluste zeigen. Negative Bewertungen können z. B. bei vergleichsweise sicheren Geschäftsmodellen wie bei Wohnimmobilien ausgesessen werden. Mietsteigerungen holen irgendwann die Bewertungen ein, solange das System geschlossen bleibt und kein Exit-Zwang besteht.
Gewerbeimmobilien machen PLATOW da mehr Gedanken, wenn möglicherweise Mietverträge und Zinsbindungen (zu) teuer eingekaufter Immobilien nach 10 Jahren ab dem kommenden Jahr parallel auslaufen und bei kleineren Investoren wie z. B. Geschlossenen Fonds keine Nachfinanzierungsmöglichkeiten bestehen. Die großen offenen Banken-Immobilienfonds machen PLATOW deshalb nach wie vor trotz aufgeregter Medienberichterstattung vergleichsweise wenig Sorgen – auch wenn da die Bewertungs- und Flucht-Uhr tickt. Außerdem ändert Bewertungskritik, die wir schon vor zwei Jahren äußerten, nichts an der Hochachtung für das Management, das Leerstände von unter 2%, ein gutes Kostenmanagement sowie eine saubere strategische Positionierung hinsichtlich energetischer und qualitativer Sanierung und eine Verbesserung der relativen Wettbewerbsposition im Markt vorweisen kann. Kostendegression durch Größe ist ein wichtiger Punkt, auf den Vonovia-CEO Rolf Buch regelmäßig hinweist und das auch mit Kosteneffekten durch die Deutsche Wohnen-Integration belegt. Allerdings gilt, wie ein prominenter Bankvorstand im PLATOW-Backgroundgespräch vor einiger Zeit sagte: „Ich würde mich als Vorstand schon unwohl fühlen, wenn ich 20% Luft in der Bilanz hätte.“
Aktuell erscheinen die Bilanzen der Wohnimmobilien-AGs. Aktuell präsentierte Vonovia ihr Zahlenwerk, das wir uns mit Blick auf die Bewertung noch genauer anschauen werden. Hier zur Sensibilisierung daher vorab nur ein kleiner Marktcheck. Die Berichterstattung entlang der Wohlergehens-Pressenotizen und den Markthinweisen, dass der Wohnimmobilienmarkt die Korrekturphase abgeschlossen habe und derzeit vor einer leichten Preissteigerung steht, überlassen wir den Aktienanalysten und natürlich der BaFin, die das auch nachspricht. Es ist wahrscheinlich auch völlig richtig, dass der Markt den Boden erreicht hat. Jedoch ist offen, ob die Bilanzen das schon nachvollzogen haben oder dies einfach im Bewertungsprozess jetzt unter Hinweis auf den Markt gestoppt wurde.
Bestandspreise ziehen wieder leicht an
Blicken wir vorab auf die Marktinfos. Deutschlands erfahrenster Wohnungsspezialist, Lübke Kelber, hat gerade die Multiplikatoren-Bandbreiten für Wohnungsankäufe veröffentlicht (siehe Chart). Sicherlich ist „Wohnen“ am wenigsten von technologischen Änderungen betroffen und profitiert absehbar für die kommende Dekade von der Wohnungsknappheit. Auch für Lübke Kelber scheint die Preiskorrektur am Wohnimmobilienmarkt für private Immobilienkäufe abgeschlossen. Die Preise zögen an mancher Stelle insbesondere im Bestand sogar leicht wieder an. So stiegen die durchschnittlichen Ankaufsmultiplikatoren für Bestandsimmobilien in mittleren A-Markt-Lagen binnen eines Jahres von der 20,6-fachen Jahresnettokaltmiete auf aktuell die 21,1-fache, in den B-Städten vom 16,5-fachen auf 16,7-fach an. C- und D-Märkte liegen in mittleren Lagen und anständiger Qualität im Bestand zwischen 14,5-fach in D-Märkten und 16,3-fach in C-Märkten jeweils im Mittelwert. Im unteren Qualitätsbereich geht es Richtung 10-fache Nettojahresmiete. Im Neubau stiegen die Multiplikatoren in den A- und B-Märkten leicht um das 0,1-fache auf aktuell die 22,5-fache bzw. 20-fache Jahresmiete an. In der Gemengelage zwischen knappem Angebot, steigenden Mieten und fallenden Zinsen rechnet Lübke Kelber mit einem Anstieg der Kapitalwerte in diesem Jahr um 10 bis 15%. Allerdings haben Zukunftsvermutungen in einer deutschen Bilanz nichts zu suchen.
Kaum Deals zu mehr als 14-facher Jahresmiete
Zum Markt könnten neben den offiziellen Daten von Lübke Kelber, die zudem den privaten Wohnungsmarkt beschreiben, auch unsere Backgroundgespräche einen Anhaltspunkt geben. Steuerbegünstigte Privatimmobilien haben andere Preistreiber als stark zins- und managementabhängige Portfolios. Im Markt hören wir „wenige Deals über 14-fach“ auch bei guter Ware in B-Märkten. Beim verschwiegen gehandelten, brandaktuellen ZBI-Deal von Union Investment mit 8.000 Wohnungen gehen die Background-Wetten eher Richtung 12-fach. Der Bestand war wohl kein Highlight.
Demgegenüber liegen die Bewertungen bei den Immobilien-AGs LEG Immobilien und Grand City im Durchschnitt etwas über der 20-fachen Netto-Jahresmiete. LEG differenziert nach Qualitäten zwischen 15,8-fach und 24,6-fach. Bedenken Sie aber, viele medienwirksame AG-Bestände liegen eher nicht an der Königsallee. Für Vonovia haben wir aktuell nur die Berichterstattung zum dritten Quartal, die sich aber in der Bewertung wohl kaum noch verändert hat. Da errechnen wir überschlägig aus den Charts bei 7,81 Euro Durchschnittsmiete und 2.278 Euro Verkehrswert pro qm immer noch einen Multiplikator von gut 24. Allerdings sieht Buch mit Verkäufen von 9 Mrd. Euro zu Buchwerten in den vergangenen Jahren die Bewertungsvorwürfe voll entkräftet.