Allianz verkauft – und will trotzdem in Indien wachsen

Für uns ist Indien ein Wachstumsmarkt, die Präsenz dort soll stärker werden, erklärt die Allianz. Die Aussage überrascht, denn gerade verkauft der Konzern seinen 26%-Anteil an den indischen Versicherungstöchtern Bajaj Allianz General Insurance und Bajaj Allianz Life Insurance für 2,6 Mrd. Euro an die Bajaj-Gruppe. Die Verträge sind unterzeichnet, die Zahlung kann in mehreren Tranchen erfolgen, der Gewinn des Verkaufs liegt laut Allianz bei rund 1,3 Mrd. Euro. Sobald das Geld aus dem Verkauf fließt, will die Allianz über die Verwendung entscheiden – darunter „insbesondere Reinvestitionen in neue Geschäftschancen in Indien“. Wachstum sei in der bisherigen Joint-Venture-Struktur „leider nicht möglich“ gewesen, so das Unternehmen.
Die indische Regierung hatte 2021 Regeländerungen in Kraft gesetzt, die ausländischen Investoren Mehrheitsbeteiligungen an Versicherern erlaubte. Die Zurich Group nutzte das und übernahm 2023 51% an Kotak Mahindra General Insurance, der Anteil wurde 2024 auf 70% erhöht. Wer die Mehrheit an einem Joint-Venture hat, stellt die geschäftlichen Weichen, wissen die Schweizer, die langfristig Gewinne in Indien erwarten. Die Allianz könnte ihrem Joint-Venture-Partner „Bajaj“ also tatsächlich entwachsen sein. Um auf diesem wichtigen Markt noch dynamischer wachsen zu können, liegt es nahe, hier in Zukunft in anderer Struktur als Mehrheitsaktionär aufzutreten.
Denn ganz ohne Partner wird es für die Allianz in Indien auch künftig nicht gehen. Der Markt ist dank Demografie, Bevölkerungsgröße und digitaler Chancen hochlukrativ – aber schwer zu durchdringen. Bürokratie und Regulierung sind für Europäer oft ein Labyrinth. Vieles läuft weiterhin über persönliche Kontakte mit wenigen Entscheidern, auch wenn Reformen offiziell anderes vorsehen, erklärt ein Marktkenner, dessen Haus seit Jahren erfolgreich in Indien tätig ist. Zudem wäre Korruption trotz politischer Bemühungen stets präsent.
„Indien ist ein Kuddelmuddel, hochattraktiv, doch ohne inländische Hilfe kaum zu bewältigen“, erklärt der Experte. Die Wahl des Partners ist entscheidend: Etwa 50% aller deutsch-indischen Joint Ventures scheitern nämlich innerhalb der ersten drei Jahre, analysiert WB India Expert Service. Hinzu kommt, dass Indien während der Corona-Pandemie wesentlich digitaler wurde, speziell im Finanzbereich. „Vieles was früher händisch funktionierte, wurde digitalisiert“, erklärt der Indien-Experte, Deutschland liege „meilenweit hintendran“. Die Allianz wird sich also genau überlegen müssen, wie, wann und mit wem sie sich in ihr neues Indien-Abenteuer stürzen möchte. Eines steht jedoch fest. Die eingenommenen Milliarden sind sicher nicht für den heiß gehandelten Kauf von Viridium vorgesehen.