Alte Leipziger – Still und leise zur neuen Vertriebslogik
Die Alte Leipziger stellt ihren Ausschließlichkeitsvertrieb stillschweigend auf Mehrfachagenten um. Warum das ein riskanter Schritt ist, der aber das Zeug hat, zur Blaupause für die Branche zu werden.

Nirgendwo in der Finanzbranche ist die gegenseitige Abhängigkeit von Vertrieb und Produktgeber so ausgeprägt wie im Versicherungsgeschäft. Das macht Umbauten heikel, weswegen es umso bemerkenswerter ist, dass die Alte Leipziger (ALH) ohne großes Aufsehen eine tiefgreifende Änderung vollzogen hat: „Wir haben unsere Ausschließlichkeitsorganisation (AO), die nach HGB §84 ausschließlich für die ALH-Gruppe tätig war, zu Mehrfachagenten umgewandelt“, erklärt Vertriebsvorstand Frank Kettnaker.
Die Vermittler können nun neben ALH-Produkten auch Angebote von Partnern vermitteln – etwa Kfz-Policen der VHV. Hintergrund ist der Wunsch, Abwanderungen zu vermeiden: War ein Kunde mit einem Vertrag unzufrieden, konnte ein Makler leicht den gesamten Bestand abziehen. Heute kann der neue Mehrfachagent Alternativen anbieten – und die Kundenbeziehung halten. Bemerkenswert: Die ALH hat den ehemaligen AO-Vermittlern den gesamten Bestand in den Mehrfachagentenstatus mitgegeben. Theoretisch könnten diese Vermittler nun sämtliche Verträge umdecken – ein Schweißperlen-Szenario für andere Vertriebsvorstände.
Kettnaker bleibt gelassen: „Wenn wir ein gutes Produkt und einen guten Service haben – warum sollten Kunde oder Vermittler wechseln?“ Bei der ALH war der Umbau leichter als bei anderen Versicherern, denn 95% der Konzerneinnahmen kommen aus dem Maklermarkt und nur 5% aus der AO mit 180 Agenturen, die zu 90% umgestellt sind, erklärt der Vertriebschef. Für ein endgültiges Fazit sei es noch zu früh, aber man könne heute schon sagen: „Der Abrieb der Bestände ist gestoppt, die Zufriedenheit der Generalagenten hat sich verdoppelt und wir wachsen als Unternehmen insgesamt.“ Die ALH hat ein Modell vorgelegt, das Schule machen könnte – riskant, aber mit Potenzial, den überholten AO-Vertrieb branchenweit zukunftsfähig zu machen.