EZB grenzt Umfang weiterer Zinssenkungen ein
Noch lässt EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Tür für weitere Zinssenkungen weit offen. Auf ihrer Pressekonferenz am Donnerstag aber hat sie neue Richtwerte genannt, die sie jüngst auch in Davos aufgegriffen hatte. Demnach geht sie davon aus, dass der sogenannte neutrale Zins, also das Zinsniveau, bei dem die Geldpolitik die Wirtschaft weder stützt noch bremst, in der Bandbreite von 1,75 bis 2,25% liegt. Noch im Dezember hatte sie 1,75 bis 2,5% genannt.
Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass die Notenbank die Zinsen mindestens auf dieses Niveau senken wird.
Das liegt an der Logik der EZB. Lagarde betonte, dass voraussichtlich im Laufe des Jahres das EZB-Inflationsziel von 2% nachhaltig erreicht wird. Wenn das der Fall ist, müsste der entscheidende Einlagenzins auf dem neutralen Niveau liegen. Die EZB will im Februar ein Papier ihres Stabs zum neutralen Zins vorlegen. Sinkt die Inflation unter die Zielmarke oder deutet sich dies für die Zukunft an, sind auch Senkungen unter den neutralen Zins wahrscheinlich.
Aktuell hat die EZB damit zu kämpfen, dass ihre Zinssignale die Haushalte und Unternehmen kaum erreichen. Der Grund: Die langfristigen Anleihe-renditen wichtiger Euro-Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien sind seit Dezember deutlich gestiegen. So lag die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen Anfang Dezember bei über 2% – aktuell sind es über 2,5%. Dies ist für die EZB ein Problem, weil die langfristigen Anleiherenditen eine Art Zins-untergrenze für viele Finanzierungen bilden, etwa für Bau- oder Investitionskredite. Lagarde führte den Renditeanstieg auf globale Entwicklungen zurück und argumentierte, dass die Übertragung der Geldpolitik auf die Wirtschaft weiter funktioniere.
Ein weiteres Problem für Lagarde und ihre Kollegen ist die hohe wirtschaftliche Unsicherheit, etwa wegen möglicher Zölle der USA. Die EZB-Präsidentin verzichtete daher auch auf konkrete Festlegungen für weitere Schritte. Dies sei „völlig unrealistisch“. Die EZB geht davon aus, dass die wirtschaftliche Schwäche im Euro-Raum anhält, die Bedingungen für einen Aufschwung aber vorhanden sind. Vor der Ratssitzung hatte die EU-Kommission erste Schätzungen zum Wirtschaftswachstum im vierten Quartal veröffentlicht. Demnach stagnierte die Wirtschaft im Währungsraum, in Deutschland und Frankreich schrumpfte sie sogar.
Absehbar ist: Je weiter die EZB mit ihren Zinssenkungen fortschreitet, desto größer dürften die Spannungen im Rat werden. Denn irgendwann wird es den Verfechtern einer straffen Geldpolitik zu viel. Noch ist dieser Punkt ein Stück entfernt, was sich auch daran zeigte, dass die Entscheidung für die Zinssenkung am Donnerstag einstimmig fiel.