DIW-Studie

Renaissance des Wohneigentums vorerst beendet

In Deutschland entscheidet nicht das Einkommen darüber, wer ein Haus besitzt, sondern die Eltern, so das DIW. Doch das ist nicht der einzige Grund für die geringe Wohneigentumsquote.

Werner Rohmert,
Marcel Fratzscher, Präsident des DIW Berlin
Marcel Fratzscher, Präsident des DIW Berlin © DIW Berlin, Florian Schuh

Zum festen Repertoire der Immobilienwirtschaft gehört die Klage über die geringe deutsche Eigentumsquote. Das übersieht allerdings komplett das deutsche soziale Sicherungssystem, das im Alter Eigentum ersetzen kann, unterschiedliche Wohnstrukturen, und, was ganz wichtig ist, die Bedeutung eines weltweit führenden deutschen Vermietungsmarktes für Wirtschaftswachstum und Mobilität. Die deutsche Mietkultur hat die industrielle Revolution ebenso ermöglicht wie das Wirtschaftswunder und die fast durchgängige deutsche Prosperität. Natürlich ist das durchschnittliche Vermögen in Zypern höher als in Deutschland, da der Anteil des Sozialsystems bzw. der Nebenkosten an den Bruttokosten eines Arbeitnehmers für den Arbeitgeber die Sparflexibilität einer eigenen Vorsorge deutlich einschränkt.

Ein mit 6.000 Euro sicherlich nicht schlecht verdienender Arbeitnehmer mit Frau, zwei Kindern, ein bis zwei Autos und Kita-Kosten hat vielleicht 4.000 netto im Monat, von denen alles zu bezahlen ist, so dass ein möglicher Kapitalbildungsbeitrag eher im überschaubaren Hunderterbereich bleiben muss. Die Kosten für den Arbeitgeber bei Berücksichtigung von Urlaub und Krankheit dürften 8.000 Euro, also das Doppelte, deutlich überschreiten. Da kann man sechsstellige Beträge nicht einfach ansparen. Das ging auch früher nicht. Eigentumsbildung war da nur über eine 100%-Finanzierung und persönlichen Verzicht für eine Dekade möglich.

Herkunft entscheidet über Wohneigentum

Aber besonders irreführend ist die Quote. Wenn drei Generationen eines 6-Personenhaushaltes in der europäischen Peripherie in einem ererbten, oft einfachen Haus wohnen, ergibt sich natürlich eine völlig andere Eigentumsquote als in Deutschland, wo dieselbe Personenzahl sicherlich auf drei oder vier Wohnungen verteilt lebt, von denen auch nur eine Generation im Eigentum lebt. Das ändert natürlich nichts an den Fakten, die aber auch auf einem anderen Lebenskonzept jüngerer Familien beruhen.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher berichtet aus einer neuen Studie seines Instituts, dass in Deutschland nicht das Einkommen darüber entscheide, wer ein Haus besitze, sondern die Eltern. Kinder von Immobilieneigentümern hätten eine höhere Chance, selbst einmal Eigentum zu haben. Wer aus einer Mieterfamilie stammt, habe diese Chance kaum. Das ist aus PLATOW-Sicht allerdings keine immobilienwirtschaftliche Raketenwissenschaft, sondern eine zinsabhängige Normalisierung, die sich derzeit in einen Anpassungsprozess befindet. Wer sein Work-Life-Balance-Anspruchsniveau auf 1,5% Zinsen geplant hat, muss neu nachdenken. Allerdings treffen in dieser Generation steigende Zinsen erschwerend auf eine regulatorisch und durch Inflation bedingte Kostenexplosion.

Kaum Wertsteigerung nach Finanzkrise

Insofern ist Fratzschers These, der Wohnungsmarkt sei nicht nur eine Frage des Einkommens, sondern der Herkunft, empirisch wohl kaum widerlegbar. Gut die Hälfte des gesamten privaten Vermögens in Deutschland sei geerbt oder verschenkt und nicht selbst erwirtschaftet. Wer Wohneigentum erwerben wolle, brauche vor allem Eltern, die schon welches hätten. Wohlhabende Eltern „helfen“ oft nicht erst durch Tod, sondern schon früher durch Bürgschaften, zinslose Darlehen oder Schenkung des notwendigen Eigenkapitals.

Gleichzeitig habe die soziale Mobilität beim Wohneigentum in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen, so Fratzscher. Das Interesse an Wohneigentum habe sich verändert. Das entspricht auch der PLATOW-Erfahrung. Seit den frühen 90er-Jahren bis zur Finanzkrise spielte Wohneigentum eine zunehmend untergeordnete Rolle, da Wohnungen verfügbar und Mieten oft niedrig waren, der Mieterschutz Sicherheit versprach und die Wertsteigerung bei Wohnimmobilien für 15 Jahre aussetzte.

Doppeltes Jahrhundertgeschenk

Im Gefolge der Finanzkrise setzte dann eine Renaissance des Wohneigentums ein. Die zunehmende Unsicherheit und immer weiter fallende Zinsen bei gleichzeitigem steuerfreiem Wertzuwachs machten den Erwerb von Wohneigentum plötzlich attraktiv. In den 1950er-Jahrgängen lag die Wahrscheinlichkeit, Wohneigentum zu besitzen, um 24 Prozentpunkte höher, wenn auch die Eltern Eigentümer waren. Bei den in den 1980ern Geborenen sind es nur noch 15 Prozentpunkte, berichtet das DIW.

Heute schafften es aber immer mehr Kinder von Eigentümern selbst nicht mehr ins Eigentum. Bei Kindern von Mietern gebe es weiterhin kaum Chancen auf den Aufstieg. Dabei ist aus PLATOW-Sicht sicherlich zu beachten, dass Wohneigentum der Eltern zunehmend in Pflege, im letzten Lebensabschnitt oder teuren Sanierungspflichten „verschwindet“, statt vererbt zu werden. Naturgemäß resümiert Fratzscher, die soziale Marktwirtschaft funktioniere nicht mehr. Für PLATOW ist die aktuelle Situation eher einer normalen Anpassung an das doppelte Jahrhundertgeschenk fallender Mieten seit Mitte der 90er-Jahre und anschließend Richtung Null sinkender Zinsen geschuldet. Regulatorik, veränderte Nachfrage durch Migration der letzten Dekade und Inflation erschweren lediglich die Anpassungsphase.

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