ARGETRA

Zwangsversteigerungen nehmen Fahrt auf

Im ersten Halbjahr 2025 nahmen Zwangsversteigerungen stark zu, Experten sehen einen weiteren Anstieg voraus. Gleichzeitig erreichen Insolvenzen Rekordwerte seit zehn Jahren.

Werner Rohmert,
Einfamilienhaus in Deutschland
Einfamilienhaus in Deutschland © AdobeStock

Im ersten Halbjahr 2025 wurden rund 7240 Immobilien mit einem Gesamtverkehrswert von 2,23 Mrd. Euro zur Zwangsversteigerung aufgerufen. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 6.909 Objekte mit einem Gesamtvolumen von 2,17 Mrd. Euro. Nur 50% der eröffneten Zwangsversteigerungsverfahren gelangen tatsächlich vor Gericht. Der Rest der Objekte wird vor der Versteigerung freihändig verkauft. Zu diesen Ergebnissen kommt die Argetra, die regelmäßig Daten zum Zwangsversteigerungsmarkt in Deutschland erhebt und dazu die Termine von nahezu 500 deutschen Amtsgerichten auswertet.

Viele Stundungsverfahren und freiwillige Veräußerungen hielten laut Argetra den Anstieg der Zwangsversteigerungen niedrig. Das scheint sich nun jedoch zu ändern. Für das laufende Jahr rechnen Fachleute mit einem Anstieg von rund 8%. Während der Leitzins der EZB seit Jahresbeginn von 3% auf 2% gesunken ist, sind die Bauzinsen im selben Zeitraum gestiegen. Zehnjährige Immobilienkredite liegen derzeit bei etwa 3,5%. Vor sechs Monaten betrug der Zinssatz noch 3,3%.

Steigende Insolvenzen

Die Zinsanpassungen für Hypothekendarlehen aus der extremen Niedrigzinsphase 2021 bis 2022 mit Laufzeiten von zehn Jahren und Zinssätzen zwischen 0,85% und 1,5% stehen noch aus. Anders verhält es sich bei Hypothekendarlehen aus dem Jahr 2015, die nun zur Verlängerung anstehen. Damals betrugen die Zinssätze etwa 2,5%. Dies führt zu sinkenden Tilgungsraten. Mit aktuell nur noch 1,72% ist der niedrigste Wert seit fast 13 Jahren erreicht.

Hinzu kommen Insolvenzen: Trotz positiver volkswirtschaftlicher Entwicklungen und der Erholung am Immobilienmarkt steige die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland weiter an. Im ersten Halbjahr 2025 wurden 11.900 Unternehmensinsolvenzen verzeichnet – der höchste Wert seit zehn Jahren, was einem Anstieg von 9,4% entspricht. Bereits im Vorjahr war ein deutlicher Anstieg von 28,5% zu beobachten. Nur für  Banken, die aus der Vergangenheit gelernt haben, ist die aktuelle Situation weniger problematisch.

Auch bei Privatpersonen setzt sich der Negativtrend fort: Rund 37.700 Verbraucherinsolvenzen wurden gemeldet – ein Plus von 6,6%. Die Fallzahlen bei Privatpersonen steigen seit drei Jahren kontinuierlich an. Laut Creditreform liegen die Ursachen vor allem in stark gestiegenen Lebenshaltungskosten und vermehrten Arbeitsplatzverlusten, insbesondere im Industriesektor.

Regionale Unterschiede

Nordrhein-Westfalen steht als bevölkerungsreichstes Bundesland seit Jahren an der Spitze. Im ersten Halbjahr 2025 konzentrierten sich die Versteigerungstermine vor allem entlang eines Streifens von West nach Ost in der Mitte Deutschlands. Pro 100.000 Haushalte liegt die Zahl der Zwangsversteigerungstermine beispielsweise in Thüringen mit 32 Fällen fast dreimal so hoch wie in Bayern mit 13.

Im bundesweiten Durchschnitt waren im ersten Halbjahr 18 von 100.000 Haushalten von Zwangsversteigerungen betroffen – ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahreswert von 17. Rund 69% der zwangsversteigerten Objekte sind Wohnimmobilien, wobei Ein- und Zweifamilienhäuser den größten Anteil ausmachen, gefolgt von Eigentumswohnungen. Die verbleibenden 31% entfallen auf Gewerbegrundstücke, Wohn- und Geschäftshäuser, unbebaute Grundstücke sowie sonstige Immobilienarten.

In Berlin wurden die höchsten Verkehrswerte mit durchschnittlich über 870.000 Euro je Immobilie aufgerufen. Hamburg folgt mit einem Durchschnittswert von 840.000 Euro auf dem zweiten Platz. Thüringen bildet mit durchschnittlich 93.000 Euro pro Immobilie das Schlusslicht. Der bundesweite Durchschnittswert betrug 307.679 Euro – ein Rückgang gegenüber dem Vorjahreswert von 314.028 Euro. Neu in der „Blacklist“ der 40 Zwangsversteigerungsschwerpunkte sind unter anderem Würzburg, Gelsenkirchen, Celle, Kassel, Fürth in Bayern und Bad Kreuznach. Aus der Liste herausgefallen sind hingegen Landau/Pfalz, Gera, Gießen, Wuppertal, Stralsund und Karlsruhe.

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