Interview mit Markus Ferber: „Die EZB hat keine überzeugende Antwort“
Markus Ferber, Koordinator der EVP im Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments, im Interview über den digitalen Euro.

Herr Ferber, Sie sind Koordinator der konservativen EVP im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Im Oktober hat ihre Fraktion Stefan Berger als Berichterstatter für den digitalen Euro vorgeschlagen. Knapp zwei Monate nach seiner Wahl hat er den Posten niedergelegt. Was steckt dahinter?
Stefan Berger war bereits in der vergangenen Legislaturperiode Berichterstatter für den digitalen Euro und hat diese Funktion nach der Europawahl zunächst behalten. Er hat mich dann vor einigen Wochen darüber informiert, dass er die Berichterstatterschaft nicht weiterführen möchte. Das muss ich als Koordinator akzeptieren. Deswegen mussten wir das Dossier innerhalb der EVP-Fraktion neu verteilen.
Bergers Nachfolger, der Spanier Fernando Navarrete Rojas, gilt als Kritiker des digitalen Euros und hat ihn in der Vergangenheit als teuer, riskant und unnötig bezeichnet. Wollen sie als EVP-Fraktion den digitalen Euro verhindern?
Die EVP-Fraktion wird weiterhin konstruktiv am Vorschlag für einen digitalen Euro weiterarbeiten. Der Vorschlag der Europäischen Kommission ist jedoch alles andere als perfekt und hat viele Fragen offengelassen.
Welche Punkte meinen Sie?
Von den Haltelimits über Fragen der Privatsphäre bis zur Verwendbarkeit des digitalen Euros im Wholesale-Kontext. Dass das keine Einzelmeinung ist, sieht man unter anderem auch daran, dass die EU-Mitgliedstaaten sich 18 Monate nach Vorstellung des Vorschlags ebenfalls noch nicht auf eine Position einigen konnten. Es ist also berechtigt, wenn sich der Berichterstatter kritisch mit den Schwachstellen des Kommissionsvorschlags auseinandersetzt. Fernando Navarrete Rojas bringt hier als ehemaliger Zentralbanker eine wichtige Perspektive mit.
Die EZB will die Vorbereitungsphase für den digitalen Euro bis Oktober 2025 abschließen. Die EU-Kommission hat bereits einen Gesetzentwurf für den digitalen Euro vorgestellt. Bis wann wird das Parlament reagieren?
Für die Einführung des digitalen Euro braucht es eine solide Rechtsgrundlage. Dafür haben wir einen Schuss und der muss sitzen. Deswegen macht es Sinn, dass sich der Gesetzgeber die notwendige Zeit nimmt. Es gibt keinen Tag X, an dem der Gesetzgeber fertig sein muss. Auch der Rat hat noch keine Verhandlungsposition, entsprechend gibt es keinen Handlungsdruck. Am Ende hängt der Zeitplan maßgeblich davon ab, wann der Berichterstatter seinen Bericht vorstellt und wie dann die politischen Verhandlungen verlaufen. Im Wirtschafts- und Währungsausschuss haben wir seit der Europawahl viele neue Kollegen, die sich bei so einem wichtigen Dossier auch entsprechend einbringen wollen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch zu früh für Prognosen, wann und wie die Kompromissverhandlungen ausgehen werden.
Welche Punkte sind ihnen mit Blick auf die mögliche Entwicklung eines digitalen Euro wichtig?
Ich möchte einen digitalen Euro, der einen klaren Mehrwert zu bestehenden Zahlungsoptionen bietet. Der Bürger muss am Ende verstehen, warum wir einen digitalen Euro brauchen. Auf diese Frage hat weder die EZB noch die Europäische Kommission bisher eine überzeugende Antwort geben können. Für mich bedeutet das, dass wir beim digitalen Euro auch tatsächlich die Potentiale der Digitalisierung heben müssen: Blockchain-Fähigkeit, Möglichkeit für automatische Zahlungen und Verwendbarkeit im Geschäftskundenkontext sind da nur einige Schlagwörter. Darüber hinaus ist mir wichtig, dass der digitale Euro keine negativen Implikationen für die Finanzstabilität und die Kreditvergabe hat. Deswegen muss man zum Beispiel beim Thema Haltelimits noch einmal genau hinschauen.
Aktuell laufen die Trilog-Verhandlungen zur CMDI-Reform. Sie haben in der Vergangenheit die Pläne scharf kritisiert. Wann wäre eine Reform aus ihrer Sicht akzeptabel oder sind sie generell dagegen?
Die Kernidee hinter CMDI ist richtig, nämlich dafür zu sorgen, dass das Abwicklungsregime robuster wird und wir dahinkommen, dass im Krisenfall nicht doch der Steuerzahler für strauchelnde Banken haftet – wie wir es in der Vergangenheit häufig gesehen haben. Wie die Kommission das Thema angeht, halte ich aber für verfehlt – gerade weil dabei bewährte nationale Lösungen unter die Räder kommen könnten. Wir haben in Deutschland gut funktionierende Institutssicherungssysteme, die sich über Jahre bewährt haben, die wesentlichen Ziele des Abwicklungsregimes bereits erfüllen und in der Vergangenheit erheblich zur Finanzstabilität beigetragen haben. Den Wesenskern der Institutssicherungssysteme durch eine überambitionierte Ausdehnung des Abwicklungsregimes auszuhöhlen, halte ich für grundsätzlich falsch.
Der EU-Rat hat sich anders zur CMDI-Reform positioniert als das Parlament. Wie sehen sie diese Vorschläge?
Die Mitgliedstaaten haben in ihrer Verhandlungsposition viele der problematischen Punkte entschärft und einen pragmatischen Kompromiss gefunden, mit der Parlamentsposition bin ich an vielen Stellen leider wenig glücklich. Aus meiner Sicht, wäre es sinnvoll, wenn sich Rat und Parlament bei den interinstitutionellen Verhandlungen eher an der Position der Mitgliedstaaten orientieren würden.
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel wirbt für eine Mischlösung bei der Einlagensicherung aus nationalen Systemen und einer europäischen Ergänzung. Was halten Sie davon?
Mir hat sich die Notwendigkeit einer europäischen Einlagensicherung bis heute nicht erschlossen. Wir haben mit den hohen Standards aus der bestehenden Einlagensicherungsrichtlinie eigentlich europaweit sehr robuste Systeme geschaffen, die auch ihren Zweck erfüllen. Ich bin skeptisch, an diesem System ohne Not zu rütteln und dabei gleichzeitig komplexe Governance- und Haftungsfragen aufzumachen. Beim Thema EDIS müssen wir noch einmal grundsätzlich ans Reißbrett zurück. Der ursprüngliche Vorschlag feiert dieses Jahr zehnjährigen Geburtstag und seitdem hat sich die Welt ein gutes Stück verändert. Das CMDI-Paket ändert zum Beispiel einiges beim Zugriff auf die Einlagensicherungssysteme in der Abwicklung. Spätestens, wenn CMDI verabschiedet ist, muss die Kommission noch einmal grundsätzlich darüber nachdenken, ob und in welcher Form man den Vorschlag für eine europäische Einlagensicherung überhaupt noch braucht.
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