Ratingagenturen

Schlechte ESG-Ratings erzürnen BaFin und Fondsbranche

Environmental, Social and Corporate Governance (ESG)-Kriterien und Rahmenbedingungen werden im Finanzsektor wichtiger.

Maximilian Volz,
Zwei Geschäftsleute, welche Rücken an Rücken stehen und telefonieren
Zwei Geschäftsleute, welche Rücken an Rücken stehen und telefonieren © CCO

Das gilt insb. für die Fondsbranche, die Angebote gerne mit dem Nachhaltigkeitsstempel versieht. Stellen sich die Produkte später als nicht so grün wie beworben heraus, nennt man das Greenwashing. Und das kann richtig teuer werden, wie das Beispiel der DWS zeigt (s. PLATOW v. 27.7.23). Damit das nicht geschieht, nutzen Fondsanbieter bei ihren Nachhaltigkeitsangaben gerne Daten und Rankings von spezialisierten Ratingagenturen.

Doch die Qualität dieser Informationen sei oft mangelhaft, kritisierte die BaFin gestern (14.2.) in drastischen Worten. „Bei den verfügbaren ESG-Daten und -Ratings gibt es noch große Defizite“, sagt Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor Wertpapieraufsicht und Asset-Management. Es mangle an Transparenz und die Ratingagenturen müssten besser erklären, „wie sie zu ihren Bewertungen kommen“ und welche Datenquellen sie verwenden. Pötzsch stützt sich bei seiner Aussage auf eine BaFin-Umfrage, bei der 30 deutsche Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) und sechs ESG-Ratinganbieter befragt wurden. Die KVGen hielten sich mit Kritik nicht zurück. 87% der Befragten betrachten die Rating-Kosten als „unangemessen hoch“.

Zudem mangle es an Qualität und Vergleichbarkeit der Daten ebenso wie an Transparenz und Kundenmanagement. Nach der Umfrage verließ viele KVGen aber offenbar der Mut, denn auf PLATOW-Nachfrage konnten oder wollten sich viele Häuser nicht mehr an ihre Kritik erinnern. Eine Ausnahme ist Union Investment: „Die Urteile der Ratingagenturen unterscheiden sich in ihrer Qualität und in ihren Schlussfolgerungen deutlich.“ Das liege u.a. daran, dass die Systematik der Datenerhebung und -nutzung nicht einheitlich geregelt sei, sondern den Agenturen überlassen bleibe. Die Daten und Einschätzungen der Ratinganbieter seien aber nur ein kleiner Teil im proprietären Ratingprozess. 16 Union-Analysten würden an den ESG-Einschätzungen arbeiten.

Auch für BNP Paribas Germany sind die ESG-Daten der Ratingagenturen lediglich „Rohdaten“, sagte uns eine Sprecherin. Die Grundlage für Anlageentscheidungen und Bewertungen seien „selbst entwickelte ESG-Scores“. Doch darüber hinaus wollten sich die Unternehmen nicht äußern, was vielleicht daran liegt, dass Pötzsch bei seiner Kritik auch die KVG-Branche nicht ausließ. Diese würden die Daten der Ratingagenturen „unreflektiert übernehmen“. Die viel gescholtenen Ratingagenturen äußerten sich auf Anfrage nicht offiziell zu den Vorwürfen.

Im Hintergrundgespräch erklärte der Manager eines großen Anbieters allerdings, dass er das Gefühl habe, dass sowohl die BaFin als auch die KVGen ihre eigenen ESG-Defizite abwälzen wollten: „Uns soll der schwarze Peter für die eigenen Versäumnisse zugeschoben werden.“ Die wiederholten Vorhalte wegen zu hoher Kosten für die Ratings seien lediglich ein Versuch der KVGen, die Gebühren zu drücken. Das sei „Teil des Spiels“, was allerdings nicht für die Qualitätskritik gelte. Diese sei schlicht falsch. Das klingt nicht so, als wäre das ESG-Rating-Thema bereits zu Ende diskutiert. mv

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